Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Wilhelm Tell

 

  Wenn rohe Kräfte feindlich sich entzweien,
Und blinde Wut die Kriegesflamme schürt.
Wenn sich im Kampfe tobender Parteien,
Die Stimme der Gerechtigkeit verliert.
Wenn alle Laster schamlos sich befreien.
Wenn freche Willkür an das Heil’ge rührt,
Den Anker löst, an dem die Staaten hängen,
– Da ist kein Stoff zu freudigen Gesängen.

  Doch wenn ein Volk, das fromm die Herden weidet,
Sich selbst genug, nicht fremden Guts begehrt,
Den Zwang abwirft, den es unwürdig leidet,
Doch selbst im Zorn die Menschlichkeit noch ehrt,
Im Glücke selbst, im Siege sich bescheidet.
– Das ist unsterblich und des Liedes wert.
Und solch ein Bild darf ich Dir freudig zeigen,
Du kennst’s, denn alles Große ist Dein eigen.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quelle:

  1. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-296. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.