Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Die unüberwindliche Flotte

Nach einem älteren Dichter

 

Sie kömmt – sie kömmt, des Mittags stolze Flotte,
  Das Weltmeer wimmert unter ihr,
Mit Kettenklang und einem neuen Gotte
  Und tausend Donnern, naht sie Dir –
Ein schwimmend Heer furchtbarer Zitadellen
  (Der Ozean sah ihresgleichen nie.)
  Unüberwindlich nennt man sie,
Zieht sie einher auf den erschrock’nen Wellen.
  Den stolzen Namen weiht
  Der Schrecken, den sie um sich speit.
Mit majestätisch stillem Schritte
  Trägt seine Last der zitternde Neptun,
Weltuntergang in ihrer Mitte,
  Naht sie heran und alle Stürme ruhn.

  Dir gegenüber steht sie da,
Glücksel’ge Insel – Herrscherin der Meere,
Dir drohen diese Gallionenheere,
  Großherzige Britannia.
Weh Deinem frei gebor’nen Volke!
Da steht sie, eine wetterschwang’re Wolke.

Wer hat das hohe Kleinod Dir errungen,
  Das zu der Länder Fürstin Dich gemacht?
Hast Du nicht selbst von stolzen Königen gezwungen,
  Der Reichsgesetze weisestes erdacht.
Das g r o ß e  B l a t t, das Deine Könige zu Bürgern,
  Zu Fürsten Deine Bürger macht?
  Der Segel stolze Obermacht
Hast Du sie nicht von Millionen Würgern
  Erstritten in der Wasserschlacht?

Wem dankst Du sie – errötet Völker dieser Erde –
Wem sonst als Deinem Geist und einem Schwerte?
Unglückliche – blick hin auf diese feuerwerfenden Kolossen,
  Blick hin und ahnde Deines Ruhmes Fall,
  Bang’ schaut auf Dich der Erdenball
Und aller freien Männer Herzen schlagen
Und alle guten schöne Seelen klagen
  Teilnehmend Deines Ruhmes Fall.

  Gott der Allmächt’ge sah herab,
Sah Deines Feindes stolze Löwenflaggen wehen,
  Sah drohend offen Dein gewisses Grab –
Soll, sprach er, soll mein Albion vergehen,
  Erlöschen meiner Helden Stamm,
  Der Unterdrückung letzter Felsendamm
Zusammenstürzen, die T y r a n n e n w e h r e
Vernichtet sein von dieser Hemisphäre?
  “Nie”, rief er, “soll der Freiheit Paradies,
Der Menschenwürde starker Schirm verschwinden!”
  Gott, der Allmächt’ge blies
Und die Armada flog nach allen Winden.

Die zwei letztern Verse sind eine Anspielung auf die Medaille, welche Elisabeth zum Andenken ihres Sieges schlagen ließ. Es wird auf derselben eine Flotte vorgestellt, welche im Sturm untergeht, mit der bescheidenen Inschrift: Afflavit Deus et dissipati sunt.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-128. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Dritter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1812. Seite 3-396. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.