Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Pegasus im Joche

 

  Auf einen Pferdemarkt – vielleicht zu Haymarket,
Wo andre Dinge noch in Ware sich verwandeln,
Bracht’ einst ein hungriger Poet
Der Musen Ross, es zu verhandeln.

  Hell wieherte der Hippogryph,
Und bäumte sich in prächtiger Parade,
Erstaunt blieb jeder stehn und rief:
Das edle, königliche Tier! Nur Schade,
Dass seinen schlanken Wuchs ein hässlich Flügelpaar
Entstellt! Den schönsten Postzug würd’ es zieren.
Die Rasse, sagen sie, sei rar,
Doch wer wird durch die Luft kutschieren?
Und keiner will sein Geld verlieren.
Ein Pachter endlich fasste Mut.
“Die Flügel zwar”, spricht er, “die schaffen keinen Nutzen,
Doch die kann man ja binden oder stutzen,
Dann ist das Pferd zum Ziehen immer gut.
Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen.”
Der Täuscher, hoch vergnügt die Ware loszuschlagen,
Schlägt hurtig ein. “Ein Mann, ein Wort,”
Und Hans trabt frisch mit seiner Beute fort.

  Das edle Tier wird eingespannt.
Doch fühlt es kaum die ungewohnte Bürde,
So rennt es fort mit wilder Flugbegierde,
Und wirft, von edelm Grimm entbrannt,
Den Karren um an eines Abgrunds Rand.
“Schon gut”, denkt Hans. “Allein darf ich dem tollen Tiere
Kein Fuhrwerk mehr vertraun. Erfahrung macht schon klug.
Doch morgen fahr’ ich Passagiere,
Da stell’ ich es als Vorspann in den Zug.
Die munt’re Krabbe soll zwei Pferde mir ersparen,
Der Koller gibt sich mit den Jahren.”

  Der Anfang ging ganz gut. Das leicht beschwingte Pferd
Belebt der Klepper Schritt und pfeilschnell fliegt der Wagen.
Doch was geschieht? Den Blick den Wolken zugekehrt
Und ungewohnt, den Grund mit festem Huf zu schlagen,
Verlässt es bald der Räder sich’re Spur
Und treu der stärkeren Natur
Durchrennt es Sumpf und Moor, geackert Feld und Hecken,
Der gleich Taumel fasst das ganze Postgespann,
Kein Rufen hilft, kein Zügel hält es an,
Bis endlich, zu der Wandrer Schrecken,
Der Wagen wohl gerüttelt und zerschellt,
Auf eines Berges steilem Gipfel hält.

  “Das geht nicht zu mit rechten Dingen”,
Spricht Hans mit sehr bedenklichem Gesicht.
“So wird es nimmermehr gelingen.
Lass sehn, ob wir den Tollwurm nicht
Durch mag’re Kost und Arbeit zwingen.”
Die Probe wird gemacht. Bald ist das schöne Tier
Ehe noch drei Tage hingeschwunden,
Zum Schatten abgezehrt. “Ich hab’s, ich hab’s gefunden”,
Ruft Hans. “Jetzt frisch”, und spannt es mir
Gleich vor den Pflug mit meinem stärksten Stier.

  Gesagt, getan. In lächerlichem Zuge
Erblickt man Ochs und Flügelpferd am Pfluge.
Unwillig steigt der Greif und strengt die letzte Macht
Der Sehnen an, den alten Flug zu nehmen.
Umsonst, der Nachbar schreitet mit Bedacht,
Und Phöbus stolzes Ross muss sich dem Stier bequemen,
Bis nun, vom langen Widerstand verzehrt,
Die Kraft aus allen Gliedern schwindet.
Von Gram gebeugt das edle Götterpferd,
Zu Boden stürzt und sich im Staube windet.

  “Verwünschtes Tier!” bricht endlich Hansens Grimm
Laut scheltend aus, indem die Hiebe flogen.
“So bist Du denn zum Ackern selbst zu schlimm,
Mich hat ein Schelm mit Dir betrogen.”

  Indem er noch in seines Zornes Wut
Die Peitsche schwingt, kommt flink und wohlgemut
Ein lustiger Gesell die Straße hergezogen.
Die Zitter klingt in seiner leichten Hand
Und durch den blonden Schmuck der Haare
Schlingt zierlich sich ein goldnes Band.
“Wohin, Freund, mit dem wunderlichen Paare?”
Ruft er den Bau’r von weitem an.
“Der Vogel und der Ochs an einem Seile,
Ich bitte Dich, welch ein Gespann:
Willst Du auf eine kleine Weile
Dein Pferd zur Probe mir vertraun,
Gib acht, Du sollst Dein Wunder schau’n!”

  Der Hippogryph wird ausgespannt,
Und lächelnd schwingt sich ihm der Jüngling auf den Rücken.
Kaum fühlt das Tier des Meisters sichre Hand,
So knirscht es in des Zügels Band
Und steigt und Blitze sprühn aus den beseelten Blicken.
Nicht mehr das vor’ge Wesen, königlich,
Ein Geist, ein Gott, erhebt es sich,
Entrollt mit einem Mal in Sturmes Wehen
Der Schwingen Pracht, schießt brausend himmelan
Und eh’ der Blick ihm folgen kann,
Entschwebt es zu den blauen Höhen.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 4-187. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-280. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.