Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Des Mädchens Klage

 

  Der Eichwald brauset,
Die Wolken ziehn,
Das Mägdlein sitzet
An Ufers Grün,
Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht,
Und sie seufzt hinaus in die finst’re Nacht,
Das Auge vom Weinen getrübet.

  “Das Herz ist gestorben,
Die Welt ist leer,
Und weiter gibt sie
Dem Wunsche nichts mehr.
Du Heilige, rufe Dein Kind zurück,
Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet!”

  Es rinnet der Tränen
Vergeblicher Lauf,
Die Klage, sie wecket
Die Toten nicht auf,
Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust
Nach der süßen Liebe verschwundener Lust,
Ich, die Himmlische, will’s nicht versagen.

  Lass rinnen der Tränen
Vergeblichen Lauf.
Es wecke die Klage
Den Toten nicht auf.
Das süßeste Glück für die trau’rende Brust,
Nach der schönen Liebe verschwundener Lust,
Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 4-67. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-12. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.