Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Hektors Abschied

 

Andromache
Will sich Hektor ewig von mir wenden,
Wo Achill mit den unnahbar’n Händen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig Deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn der finstre Orkus Dich verschlingt?

Hektor
Teures Weib gebiete Deinen Tränen,
Nach der Feldschlacht ist mein feurig Sehnen,
Diese Arme schützen Pergamus.
Kämpfend für den heil’gen Herd der Götter
Fall ich und des Vaterlandes Retter
Steig’ ich nieder zu dem styg’schen Fluss.

Andromache
Nimmer lausch’ ich Deiner Waffen Schalle,
Müßig liegt Dein Eisen in der Halle,
Priams großer Heldenstamm verdirbt.
Du wirst hingeh’n wo kein Tag mehr scheinet,
Der Kokytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt.

Hektor
All mein Sehnen will ich, all mein Denken,
In des Lethe stillen Strom versenken,
Aber meine Liebe nicht.
Horch! Der Wilde tobt schon an den Mauern,
Gürte mir das Schwert um, lass das Trauern,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 4-301. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Erster und Zweiter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1812. Seite 4-1. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.