Friedrich Schiller
Die Flüsse
Rhein
Treu wie dem Schweizer gebührt, bewach’ ich Germaniens Grenze,
Aber der Gallier hüpft über den duldenden Strom.
Rhein und Mosel
Schon so lang umarm’ ich die lotharingische Jungfrau,
Aber noch hat kein Sohn uns’re Verbindung beglückt.
Donau in **
Mich umwohnt mit glänzendem Aug’ das Volk der Phaiaken,
Immer ist’s Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß.
Main
Meine Burgen zerfallen zwar, doch getröstet erblick’ ich
Seit Jahrhunderten noch immer das alte Geschlecht.
Saale
Kurz ist mein Lauf, und begrüßt der Fürsten, der Völker so viele,
Aber die Fürsten sind gut, aber die Völker sind frei.
Ilm
Meine Ufer sind arm, doch höret die leisere Welle,
Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.
Pleiße
Flach ist mein Ufer und seicht mein Bach, es schöpften zu durstig
Meine Poeten mich, meine Prosaiker aus.
Elbe
All ihr andern, ihr sprechet nur ein Kauderwelsch – Unter den Flüssen
Deutschlands rede nur ich und auch in Meißen nur, deutsch.
Spree
Sprache gab mir einst Ramler und Stoff mein Cesar, da nahm ich
Meinen Mund etwas voll, aber ich schweige seitdem.
Weser
Leider von mir ist gar nichts zu sagen, auch zu dem kleinsten
Epigramme, bedenkt, geb’ ich der Muse nicht Stoff.
Gesundbrunnen zu **
Seltsames Land! Hier haben die Flüsse Geschmack und die Quellen,
Bei den Bewohnern allein hab’ ich noch keinen verspürt.
Pegnitz
Ganz hypochondrisch bin ich vor langer Weile geworden,
Und ich fließe nur fort, weil es so hergebracht ist.
Die **chen Flüsse
Unser einer hat’s halter gut in **cher Herren
Ländern, ihr Joch ist sanft und ihre Lasten sind leicht.
Salzach
Aus Juvaviens Bergen ström’ ich, das Erzstift zu salzen,
Lenke dann Bayern zu, wo es an Salze gebricht.
Der anonyme Fluss
Fastenspeisen dem Tisch des frommen Bischofs zu liefern,
Goss der Schöpfer mich aus durch das verhungerte Land.
Les fleuves indiscrets.
Jetzt kein Wort mehr, ihr Flüsse! Man siehts, ihr wisst euch so wenig
Zu bescheiden, als einst Diderots Schätzchen getan.
Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:
- Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-194. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
- Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-273. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.