Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 25. April [Montag] 1805.

Die beßere Jahreszeit läßt sich endlich auch bei uns fühlen, und bringt wieder Muth und Stimmung; aber ich werde Mühe haben, die harten Stöße seit neun Monaten, zu verwinden und ich fürchte, daß doch etwas davon zurückbleibt; die Natur hilft sich zwischen 40 u. 50 nicht mehr als im 30sten Jahre. Indessen will ich mich ganz zufrieden geben, wenn mir nur Leben und leidliche Gesundheit bis zum 50 Jahr aushält. 

Goethe war sehr krank an einer Nierencholik mit heftigen Krämpfen, welche zweymal zurückkehrte. Dr. Stark zweifelt, ihn ganz herstellen zu können. Jetzt hat er sich wieder ganz leidlich erhohlt, er gieng so eben aus meinem Zimmer, wo er von einer Reise nach Dresden sprach, die er diesen Sommer zu machen Lust hat. Arbeiten kann er in seinen jetzigen Gesundheitsumständen freilich nicht, und gar nichts vornehmen ist wider seine Natur. So ist ihm am besten gerathen, wenn er unter Kunstanschauungen lebt, die ihm einen gebildeten Stoff entgegenbringen. 

Er hat diesen Winter doch nicht unthätig zugebracht. Außer einigen sehr geistvollen Recensionen in der Jenaschen Zeitung hat er ein ungedrucktes Mscrpt. Diderots, welches uns ein glücklicher Zufall1 in die Hände brachte, übersetzt und mit Anmerkungen begleitet; Es kommt unter dem Titel: Rameau’s Neffe bei Göschen heraus und ich schicke Dirs, sobald es gedruckt ist. Diderots Geist lebt ganz darinn, und auch Goethe hat den seinigen darinn abgedruckt. Es ist ein Gespräch welches der (fingierte) Neffe des Musicus Rameau mit Diderot führt; dieser Neffe ist das Ideal eines Schmarotzers, aber eines Heroen unter dieser Klasse, und indem er sich schildert, macht er zugleich die Satyre der Societät, und der Welt, in der er lebt und gedeiht. Diderot hat darinn auf eine recht leichtfertige Art die Feinde der Encyklopädisten durch gehechelt, besonders Palissot, und alle gute Schriftsteller seiner Zeit an dem Gesindel der Winkelcritiker gerächt – dabei trägt er über den großen Streit der Musicer zu seiner Zeit seine Herzensmeinung vor, und sagt sehr viel vortrefliches darüber. 

Außer dieser Arbeit hat Goethe auch ungedruckte Briefe von Winkelmann drucken lassen und mit seinen Zusätzen und Bemerkungen begleitet. Auch diese Schrift wird Ostern herauskommen. Poetisches ist nichts entstanden. 

Ich bin zwar jetzt ziemlich fleißig, aber die lange Entwöhnung von der Arbeit und die noch zurückgebliebene Schwäche lassen mich doch nur langsam fortschreiten. Wenn ich Dir auch gleich meinen Gegenstand nennte, so würdest Du Dir doch keine Idee von meinem Stücke machen können, weil alles auf die Art ankommt, wie ich den Stoff nehme und nicht wie er wirklich ist. Der Stoff ist historisch und so wie ich ihn nehme, hat er volle tragische Größe und könnte in gewissem Sinn das Gegenstück zu der Jungfrau v. Orleans heißen, ob er gleich in allen Theilen davon verschieden ist. 

Von Hubers Wittwe mußt Du Dich losmachen, sobald Du kannst. Mit diesen schlechten Naturen beschmutzt man sich nur und ist nichts als Verdruß zu gewinnen. – Welche Impertinenz hatte das Weib, sich nur an Dich zu wenden; sie kann noch mehr thun, wenn Du sie nicht abschreckst. 

Ist Dir der Necker’sche Nachlaß, den seine Tochter herausgab, zu Gesicht gekommen? Wo nicht, so will ich Dir ihn schicken. Es wird Dich doch interessiren, diese Schrift zu lesen, die alle Kläffer in Paris gegen Madame Stael in Bewegung setzte. – Sie lobt ihren Vater freilich zu unverschämt, aber es steht ihr nicht übel. – Das Buch enthält gerade nicht viel wichtiges aber doch manches curiose, worunter ein kleiner Roman von dem alten Necker eine seltsame Figur macht. 

Herzlich grüßen wir euch alle. – Lebewohl. 

Dein 

Sch.


1 Klinger hatte das Mspt. in Petersburg an Schillers Schwager Wolzogen mitgetheilt und dieser an Schiller. Vgl. Lit. Nachl. der Karoline v. Wolzogen 1, 421 f.


Bemerkungen

1 S. 240. Z. 17. Lies: 25. April [Donnerstag]. Z. 22. a. nicht mehr so.
Zu S. 241. Z. 23. Ostern, d. h. zur Ostermesse.
Zu S. 242. Z. 1. Vgl. X.