Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 20. Jan. [Donnerstag] 1805.

So wie das Eis wieder anfängt aufzuthauen, geht auch mein Herz und mein Denkvermögen wieder auf, welches beides in den harten Wintertagen ganz erstarret war. Solang der Winter nun dauert, bin ich unaufhörlich von einem Catarrh geplagt, der mich in der That sehr angreift und fast allen Lebensmuth ertödet. An eine glückliche freie Thätigkeit war bei solchen Umständen gar nicht zu denken. Um nun nicht ganz müßig zu seyn und doch durch einige Arbeit über die harte Periode mir hinüber zu helfen, habe ich die Phedre von Racine übersetzt; ein Stück welches viele Verdienste hat, und wenn man einmal die Manier zugiebt sogar fürtrefflich heißen könnte. Es ist lange Zeit das Paradepferd der französischen Bühnen gewesen u. ist es zum Theil noch; wir wollen nun sehen, wie es sich einem deutschen Publikum gegenüber behaupten wird. Ich hab es in den gewöhnlichen reimlosen Jamben übersetzt und mit gewissenhafter Treue, ohne mir eine Abänderung zu erlauben. Du sollst das Mscrpt haben, wenn ich eine Abschrift davon habe nehmen lassen. Auf den 30. dieses Monats, als d. Geburtstag der Herzogin werden wir es spielen lassen. 

Hubers Tod1 wird euch, so wie auch mich, sehr betroffen haben, und ich mag jetzt noch nicht gerne daran denken. Wer hätte das erwartet, daß Er uns zuerst verlassen müßte! Denn, ob wir gleich auser Verbindung mit ihm waren, so lebte er doch nur für uns und war an zu schöne Zeiten unsres Lebens gebunden, um uns je gleichgültig zu seyn. Ich bin gewiß, daß Ihr jetzt auch sein großes Unrecht gegen euch gelinder beurtheilt; er hat es gewiß tief empfunden u. hart gebüßt.

Schreibe mir bald einige Worte wies euch geht und in dieser langen Zeit gegangen ist, da wir nichts von einander hörten.

Herzlich umarme ich euch 

Dein 

S.


1 24. Dec. 1804 in Leipzig.


Bemerkungen

1 S. 206. Z. 18. Lies: 20. Jan. [Sonntag].
Zu S. 207. Z. 8. Vgl. Nr. 2020.