Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 22. Nov. [Donnerstag] 1804.

Die Festivitäten, welche die Ankunft unsrer Erbprinzessin veranlaßte, sind nun zu Ende, und wir treten wieder allmählig in unser gewöhnliches Philisterleben zurück. Außer einem Catarrh, den ich mir gehohlt, bin ich ganz leidlich weggekommen, welches ich kaum erwarten konnte, da man sich bei solchen Gelegenheiten niemals schonen kann. Der Einzug1 war wirklich sehenswerth, denn alle Welt war auf den Beinen, und die Bergstraße nebst der ganzen Anhöhe, woran Weimar sich lehnt, war von Menschengruppen belebt. Die herzogliche Jägerey, die Kaufleute und die Schützengesellschaft, alle in ihren Uniformen hohlten die Herrschaften ein, der Zug ging durch eine sehr schöne Ehrenpforte in edlem Styl, davon Du in dem nächsten Journal des Luxus u. der Moden eine Zeichnung finden wirst. Bälle, Feuerwerk, Illumination, Music, Comödie u. dgl. folgte nun 20 Tage aufeinander, das Festlichste aber an der ganzen Sache war die aufrichtige allgemeine Freude über unsre neue Prinzeßin an der wir in der That eine unschäzbare Acquisition gemacht haben. Sie ist äußerst liebenswürdig und weiß dabey mit dem verbindlichsten Wesen eine Dignität zu paaren, welche alle Vertraulichkeit entfernt2. Die Repräsentation als Fürstin versteht sie meisterlich und es war wirklich zu bewundern, wie sie gleich in der ersten Stunde nach ihrer Ankunft, wo ihr die fürstlichen Diener bei Hofe vorgestellt wurden, sich gegen jeden zu benehmen wußte. – Sie hat sehr schöne Talente im Zeichnen und in der Musik, hat Lecture und zeigt einen sehr gesetzten auf ernste Dinge gerichteten Geist bei aller Fröhlichkeit der Jugend. Ihr Gesicht ist anziehend ohne schön zu seyn, aber ihr Wuchs ist bezaubernd. Das Deutsche spricht sie mit Schwierigkeit, versteht es aber wenn man mit ihr spricht und ließt es ohne Mühe. Auch ist es ihr ernst, es zu lernen. Sie scheint einen sehr festen Character zu haben und da sie das Gute und Rechte will so können wir hoffen, daß sie es durchsetzen wird. Schlechte Menschen, leere Schwätzer und Schwadronierer möchten schwerlich bei ihr aufkommen. Ich bin nun sehr erwartend, wie sie sich hier ihre Existenz einrichten und wohin sich ihre Thätigkeit richten wird. Gebe der Himmel, daß sie etwas für die Künste thun möge, die sich hier, besonders die Musik, gar schlecht befinden. Auch hat sie es nicht verhehlt, daß sie unsre Capelle schlecht gefunden. 

Auf dem Theater wollten wir uns anfangs eben nicht in Unkosten setzen, sie zu becomplimentieren. Aber etliche Tage vor ihrem Anzug wurde Goethen Angst, daß er allein sich auf nichts versehen habe und die ganze Welt erwartete etwas von uns. 

In dieser Noth setzte man mir zu, noch etwas Dramatisches zu erfinden; und da Goethe seine Erfindungskraft umsonst anstrengte, so mußte ich endlich mit der meinigen noch aushelfen. Ich arbeitete also in 4 Tagen3 ein kleines Vorspiel aus, welches frisch weg eingelernt und am 12ten November gegeben wurde. Es reußierte über alle meine Hofnung und ich hätte vielleicht Monate lang mich anstrengen können, ohne es dem ganzen Publikum so zu Dank zu machen, als es mir durch diese flüchtige Arbeit gelungen ist. Mit nächstem Posttag sollst Du eine Abschrift meines Machwerks erhalten. 

Wolzogen hat mir von der regierenden Kaiserin einen sehr kostbaren Ring4 mitgebracht, ich hatte von dieser Seite her gar nichts erwartet, sie hat aber viel Geschmack an dem Carlos gefunden und er hat ihr in meinem Nahmen ein Exemplar überreicht. 

Du solltest diese Michaelismesse, wie mein Plan war, 48 Ldors von Crusius erhalten, die er mir für die neue Auflage des zweiten Bandes meiner Gedichte zu bezahlen hat. Aber diese zweite Auflage hat sich meiner Krankheit wegen verzögert, es wird erst jetzt an dem Druck angefangen und auf Ostern erfolgt erst die Zahlung. Die Finanzen stehen übrigens gut5, wenn ich nur diesen Winter fleißig seyn kann so ist Geld genug zu erwarten. 

Lebewohl, wir grüßen euch alle herzlich, auch Geßlern bitte recht viel freundschaftliches zu sagen. 

Dein 

Sch.


1 Am 9. Nov. 1804.
2 Vgl. Charl. V. Schiller 1, 383 f.
3 Die Huldigung der Künste, angefangen am 4. Nov., fertig am 8., gespielt am 12.
4 Den Schiller im Decemb. Für 500 Thlr. verkaufte, um seiner Schwiegermutter eine Schuld von 600 Thlrn. abzutragen. Charl. V. Schiller 1, 300.
5 Am 21. Nov. 1804 verzeichnet Schiller im Kalender als „Rest in Cassa 360 Rthlr. 15 Gr.“; am 1. Dec.: „Hatte ich in Cassa 316 Rthlr. Am 29. Sept. hatte er „Besoldung erhalten mit Zulage.“ Die Ausgaben seit 1. Dec. sind beträchtlich; an Einnahme sind nur verzeichnet: 21. Jan. 1805: 34 Rthlr. von Görner aus Jena.“ Das Leben schloß anscheinend mit einem Deficit.


Bemerkungen

1 X. Vom 17. Okt. (eingetr. d. 20.). Z. Vom 2. Dez. (eingetr. d. 4.).
S. 186. Z. 19. a. 10 Tage. (Was sachlich das richtige sein muß.)
S. 188. Z. 5. a. erwerben.
Zu S. 186. Z. 24. Vgl. zum Ausdruck Schs. Mädchen aus der Fremde.
Zu S. 187. Z. 32. Vgl. Nr. 1965.