Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 16 8ber [Sonntag] 1803.

Entschuldige mich doch beim HE. Grafen Vizthum, daß ich ihm wegen der Braut von Messina noch nicht geantwortet. Bei näherer Ansicht des Stückes habe ich es ganz unmöglich gefunden, die verlangten Abänderungen darinn vorzunehmen, ohne das Stück ganz zu verstümmeln, denn es ist mit Weglassen allein nicht gethan, es müßten an die Stelle des Weggelassenen neue Motive gefunden werden und dazu habe ich natürlicherweise weder Zeit noch Neigung. Ohnehin ist das Stück ja kein Stück fürs Volk, also auch für die Kasse kein Gewinn. Dem Churfürsten würde es schwerlich Vergnügen machen, besonders da er die eigentlichen Trauerspiele nicht mag. Da nun noch dazu kommt, daß alle versifizierte Stücke bei der jetzigen Einrichtung des secundarischen Theaters gar zu sehr in die Pfanne gehauen werden, und die Braut von Messina ganz auf dem lyrischen beruht; so glaube ich daß man auf diese Gründe acqiescieren muß. Ich, als Verfasser, wenigstens kann mich nicht darauf einlassen; findest Du aber sonst Rath, oder willst das Probestück selbst versuchen, so habe ich nichts dagegen – wenn ich nur an eine so undankbare Sache nicht selbst meine Zeit verliere. 

Was Du von Kalderon sagst, finde ich sehr richtig. Es ist übrigens recht interessant, den südlichen Geist mit einem mehr nördlichen hier zu vergleichen. Sinnlichkeit und Leidenschaft bezeichnet jenen, diesen eine moralische Tiefe des Gemüths. Indessen ist in Calderon doch eine hohe Kunst und die ganze Besonnenheit des Meisters zu sehen; selbst was als regellos ins Auge fällt, wird von einer großen Einheit zusammengehalten. 

Lebe wohl, grüße alles herzlich; ich wollte dießmal nur über die Braut von Messina schreiben. 

Dein 

Sch. 

[Adresse:]
                An Herrn
   Appellationsrath Körner
                                    in
      fr.                                Dresden.


Bemerkungen

1 Fehlt in K.
X. Vom 9. Okt. (eingetr. d. 14.). Z. Vom 24. Okt. (eingetr. d. 27.).
S. 87. Z. 27. Lies: v. Messina.
S. 88. Z. 2. Lies: Weggelassnen. Z. 5. Volk also (o. K.) Z. 9. Lies: Secundaischen. Z. 10. werden und (o. K.). Z. 16. Lies: sagst finde (o. K.). Z. 22. fällt wird (o. K.). Z. 23. Lebewohl. Z. 29. Lies: Körner. Z. 31. Lies: Dresden.
Zu S. 87. Z. 29. Von verlangten Abänderungen steht in X. nichts; das geht vielleicht auf eine mündliche Schs. mit Vitzthum zurück.
Zu S. 88. Z. 16. Körner hatte über die Schlegelsche Übersetzung des Calderon geschrieben und Calderon mit Shakespeare verglichen. Er sprach Calderon wohl Phantasie zu, aber das Gemüt sprach er ihm ab. Er spiele mit seinem Stoffe. „Shakespeare ist kühn, aber Calderon ist frech; und in dieser Frechheit, für die es nichts Heiliges giebt, glaubt mancher das Genialische zu finden.“