Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Louise Brachmann

Weimar, den 15. November [Montag] 1802. 

Ich habe nie aufgehört, an Ihrem Schicksal Antheil zu nehmen, ja Ihr vorletzter Brief hat mir eine lebhafte Freude verursacht, weil er ein trauriges Gerücht, das Sie todt sagte, widerlegte. Als ich im September des vorigen Jahres durch Weißenfels reiste, war in dem Gasthof, wo ich abstieg, meine erste Erkundigung nach Ihnen, und eben dort bestätigte man mir zu meiner großen Betrübniß Ihren Tod. Ihr Brief hat mir das Mißverständniß aufgeklärt, und obgleich die Veranlassung zu demselben immer etwas trauriges für Sie ist, so will ich doch lieber mit Ihnen eine Freundin und Schwester, als Sie selbst beklagen. 

Daß ich Ihren vorletzten Brief unbeantwortet ließ, kann ich nur durch eine Fluth von Zerstreuungen, Geschäften und Vorfällen, worunter auch traurige waren, entschuldigen. Es begegnet mir leider oft bei dem besten Willen, mich einer solchen Nachlässigkeit schuldig zu machen, es ist die alte Klage meiner intimsten Freunde und also, wie Sie sehen, kein Beweis meiner Lieblosigkeit. 

Gerne würde ich Ihren Wunsch wegen der Gedichte erfüllt haben, aber da ich auf die Entstehung dieser Gedichte keinen Einfluß hatte, so würde mir ein solcher Schritt, wie Sie ihn wünschen, ein zu anmaßendes Ansehen vor dem Publikum geben. Auch habe ich mich jetzt für immer nur auf einen einzigen Buchhändler eingeschränkt, der mein vertrauter Freund ist, und dessen Interesse mir so nahe liegt, als das meinige. Meine Gesinnung für ihn würde mir also zur Pflicht machen, bei jedem Contract, den ich für einen Dritten mit ihm abschließe, ihn zu begünstigen, und eben deswegen kann ich mich an ihn am wenigsten wenden, wenn ich für einen Freund oder eine Freundin Geschäfte machen soll.

Kann ich übrigens durch meine Empfehlung Ihnen bei schriftstellerischen Contracten irgend nützlich seyn, so werden Sie mich von Herzen dazu bereitwillig finden. 

Ihr Brief athmet eine so schwermüthige Gemüthsstimmung, daß ich sehnlichst wünsche, Sie davon befreit zu sehen. Ihre Verhältnisse sind mir noch zu unbekannt, als daß ich Ihnen meinen Rath anbieten könnte; sonst aber würde eine Veränderung des Orts, wenn Sie diese möglich machen könnten, Ihrem Gemüth eine heitere Richtung geben. 

Mit der aufrichtigsten Hochachtung 

Der Ihrige 

Schiller.


Bemerkungen

1 Zum Inhalt vgl. Speidel u. Wittmann.
Zu S. 429. Z. 12. Luise Brachmann hatte gewünscht, daß Sch. zu einer Sammlung ihrer Gedichte eine Vorrede schreibe. In X. und dem vorhergehenden Briefe Luisens vom 9. April 1802 (eingetr. d. 12.) steht davon freilich nichts. Der Wunsch wird in der Lücke in diesem Briefe vorgetragen worden sein.