Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 6. Jun. [Sonntag] 1802.

Grassi hat mir Deinen Brief überbracht und ich habe gesucht, ihm seinen hiesigen Aufenthalt angenehm zu machen; auch ist er sehr zufrieden von uns gegangen und wird bei seiner Zurückkunft wieder bei uns zusprechen. 

Es ist in den lezten 4 Wochen gar zerstreuungsvoll und confus bei uns zugegangen, die Meßzeit führt immer so viel Fremde herbei, die in einer kleinen Stadt wie hier immer alle Societäten aufrühren und in Uebung setzen, so daß man ganz aus seiner Ruhe kommt. Auch die Herzogin von Curland war etliche Tage hier, ich habe ihre Bekanntschaft in d Comödie gemacht. Sie ist ein sehr angenehmes und reizendes Geschöpf. Von euch spricht sie mit großem Antheil, und dieß war auch unser bestes Gespräch. 

Humboldt hat kürzlich geschrieben. Sie ist glücklich mit einer Tochter niedergekommen. Er geht als preuß. Resident nach Rom u: Neapel, und sieht auf diese Art seinen alten Wunsch, Italien zu besuchen, endlich erfüllt. Preußen hielt sonst zwei verschiedene Residenten an beiden Orten, jezt sind aber beide Stellen in Eine verwandelt, was sie einträglicher und wegen des Ortswechsels auch angenehmer macht. 

Hast Du Schlegels Alarcos1 gelesen, und was meinst Du zu diesem Geschmack? 

Diese lezte Zeit habe ich nicht viel geleistet, aber etwas kleines, lyrisches habe ich im Kopf, für Cottas Kalender; sobald es fertig, sende ich Dirs mit den 2 ältern Gedichten zu. 

Lebe recht wohl, ich muß abbrechen, weil d. Post geht. Wir umarmen euch aufs herzlichste. 

Dein 

Sch. 

[Adresse:] 
         an Herrn 
   Appellationsrath 
          Körner 
                       in 
       fr.                  Dresden.


1 4, 283. Fr. Schlegels Alarkos war am 29. Mai 1801 in Weimar gegeben. Weber 60.


Bemerkungen

1 Abges. nach K. d. 7.
X. Vom 16. Mai (eingetr. d. 28.). Z. Vom 20. Juni (eingetr. d. 28.).
Zu S. 392. Z. 19. Gemeint ist der Dresdener Historien- und Portraitmaler Joseph Grassi.
Zu S. 393. Z. 2. Vgl. Dora Stocks Brief an Charlotte v. Schiller vom 1. Juni u. Minna Körners an dieselbe vom 30. Mai. Urlichs, Charl. v. Sch. III. S. 28 u. 37.