Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 20. April [Dienstag] 1802.

Wie Graf Geßler meiner Schwägerin schrieb, hat der Katarrh bei Euch geherrscht, und dasselbe Uebel hat auch mich schon seit 12 Tagen heimgesucht, und aufs Heftigste angegriffen, daß ich mich jetzt noch kaum davon erholen kann. Ich war auf dem Weg, ernstlich krank zu werden. So kommt eins nach dem anderen, meine Thätigkeit aufzuhalten. In 5 Tagen werden wir unser neues Haus beziehen1, diese Veränderung soll, hoffe ich, auch auf meinen Geist Einfluß haben. Euer Auszug wird wahrscheinlich jetzt auch vor sich gehen, wozu wir Euch alles Gute wünschen; Du verbesserst Dich, daß Du in das Innere der Stadt ziehst, und ich, daß ich mich aus einer lärmenden Straße unter Bäume flüchte. –

Es thut mir recht leid, daß Gr Geßler seinen Vorsatz hieher zu kommen wieder aufgegeben hat. Wir hatten uns alle schon sehr auf ihn gefreut, und würden uns mit ihm der frohen Tage, die wir in Dresden zusammen zugebracht, recht lebhaft erinnert haben. 

Daß meine kleinen Sachen dem Becker Vergnügen gemacht haben, freut mich; ich wollte ihm gern meinen guten Willen zeigen. Viel ist nicht daran; aber das kleine Stück, die Sehnsucht, hat etwas Gefühltes, Poetisches. Ich glaube, es wird durch die Musik gewinnen. Du schreibst von einer Nachlässigkeit in der letzten Strophe, ich habe nachgedacht, weiß aber nicht was Du damit meinst. Sollte mir vielleicht gar ein Schreibfehler entwischt seyn? Schreibe mir doch ein Wort davon, daß ich, wenn es noch Zeit ist, eine Aenderung darin treffe.

Die zwei erstern Gedichte, die Du componirt hast, will ich Dir mit nächster Post schicken, so wie sie jetzt sind und bleiben. 

Hier Dein Aufsatz. Mein Rath wäre, Du ließest ihn nicht eher drucken, bis mehrere beisammen sind. Vielleicht beschert mir der Himmel unterdessen auch ein paar gute Gedanken, und es findet sich auch wohl noch ein dritter Compagnon, so können wir ein Bändchen zusammen herausgeben. Deine Briefe über die Almanache ließen sich auch noch zu diesem Zwecke brauchen. Ueberhaupt wird das Fach der Kritik viel Stoff dazu geben können. 

Lebe recht wohl. Der Kopf thut mir von den wenigen Zeilen schon weh, so übel hat mich der Katarrh zugerichtet. 

Herzlich umarmen wir Euch. 

Dein 

Sch.


1 Es geschah am 29. April „und starb meine Mutter in Schwaben, alt 68 Jahre 4 Monate“. Kal. 122.


Bemerkungen

1 Zu S. 376. Z. 3. Graf Geßlers Brief ist mir nicht bekannt. Zu Z. 8. Sch. bezog sein neues Haus erst am 29. April. Zu Z. 10. Körner hatte ein Haus in der Altstadt Dresdens gekauft. Zu Z. 20. Vgl. zu Nr. 1779 u. 1780. Zu Z. 24. Vgl. Z. Körner hatte die Zeile: doch die Götter leihn kein Pfand beanstandet. Der Ausdruck gefiel ihm nicht, und in den drei einsilbigen Wörtern und dem Trochäus leihn kein empfand er einen Uebelklang. Schiller hat nichts geändert. Zu Z. 31. Vgl. zu Nr. 1779.