Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 21. May [Donnerstag] 1801.

Wir haben in Erfahrung gebracht, daß Benkendorf zu Dresden gestorben ist, und da meine Schwiegermutter und ihre Töchter die nächsten Anverwandten sind, so würde wenn kein Testament vorhanden und wenn überhaupt etwas zu erben ist, unsere Familie das nächste Recht haben. Wir wissen freilich, daß B. viele Schulden hatte; da er aber von s. verstorbenen Bruder geerbt und meiner Schwägerin selbst bei ihrem Aufenthalt in D ein Papier von 10000 Thlrn. vorgezeigt, so könnte doch wohl etwas da seyn. Wir bitten Dich also um die Gefälligkeit, gehörigen Orts Anfrage zu thun: 1) ob ein Testament da ist, und 2) ob überhaupt nach Abzug der Schulden noch etwas übrig ist. Wäre etwas zu hoffen und mithin von Seiten unsrer Familie zu thun, so bist Du so gut, uns recht bald Nachricht zu geben. Es wäre doch gar nicht übel, wenn uns bei dieser Gelegenheit das Glück günstig wäre. 

Beiliegende Gedichte sind nicht für Dich. Es hat sie ein junger Schweitzer1, der hier durchreiste, bei mir gelassen, damit ich ihm etwas darüber sagen möchte. Da er mir keine bestimmte Adresse zurückgelassen konnte, so habe ich ihm, weil er nach Dresden kommen wird, gesagt, das Buch in Deinem Hause abzuhohlen. 

Adieu für heut. Herzlich umarmen wir euch, 

Dein 

Sch.


1 Meister. Vgl. 4, 222.


Bemerkungen

1 Zu S. 281. Z. 16. Der General Ludwig Ernst v. Benkendorf, ein Verwandter von Schillers Schwiegermutter war am 5. Mai 1801 im 90. Lebensjahr verstorben. Ein Prozeß um die Erbschaft wurde eingeleitet, hatte aber für Frau v. Wolzogen einen ungünstigen Erfolg.
Zu S. 282. Z. 2. Nach Z. hieß der junge Dichter Meister.