Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Weimar 1. 8br. [Mittwoch] 1800.

Ihre historischen Resultate aus den eingeschickten Preisstücken hat mir Meier neulich gleich mitgetheilt und wir haben uns beide recht darüber erfreut. Und wäre wirklich aus dem ganzen Institut nur dieses einzige Resultat gewonnen worden, so verlohnte es schon der Mühe, daß diese 29 Künstler sich beschäftigt hätten, denn es giebt einen sehr charakteristischen und zu vielerlei Gebrauch fruchtbaren Blick über die jetzige Kunststatistik. Auch wird gerade diese Bemerkung am allgemeinsten interessieren. 

Daß Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind und sie mit Ihrem Zweck zusammenstimmend finden, muß mir doppelt lieb seyn, weil ich sie wirklich mehr auf Ihren Wunsch als aus einigem Trieb unternommen; denn Sie werden gefunden haben, daß gerade das, was mich ganz am Anfang dazu bestimmte, die Ergießung meiner Empfindungen über Nahls Zeichnung, nicht die Hauptsache darinn geworden ist. 

Wenn ich aus dem was Meyer gethan und was ich selbst gesagt, urtheilen soll, was eigentlich noch vorzüglich auszusprechen wäre, so bietet sich mir besonders folgendes an: 

Meier ist ins künstlerische, ich bin ins poetische und allgemein philosophische gegangen; nun möchte noch etwas allgemeines und wenn Sie wollen scientifisches, über das eigentlich künstlerische zu sagen seyn. Ich fühlte wohl die Nothwendigkeit, auf meinem Wege, auch daran zu rühren, aber da es ganz außer meiner Competenz und Wissenschaft lag, so habe ich mich nur an den bloßen Gedanken des Bildes gehalten. Es wäre also noch nöthig über die mahlerische Behandlung, die sinnliche Anordnung, kurz über dasjenige, was alsdann zu thun ist, wenn der Gedanke gefunden und nun durch die Mittel der bildenden Kunst darzustellen ist, etwas allgemeines wissenschaftliches auszusprechen. Zwar ruhen Meyers Urtheile schon darauf, aber er schränkt sich mehr aufs Urtheilen ein, und da wäre als die Major zu seiner Minor noch auszusprechen. 

Für Mittheilung der Humboldtischen Arbeit danke ich Ihnen sehr; ich hoffe allerlei daraus zu lernen. Es wird mir schwer mit Herrmanns Buch zurecht zu kommen und schon vorn herein finden sich Schwierigkeiten, ich bin neugierig wie es Ihnen mit diesem Buche ergangen und hoffe, daß Sie mir ein Licht darinn aufstecken werden.

Die Schauspieler sind nun wieder hier und schimpfen sehr auf Rudolstadt, wo sie schlechten Dank scheinen geärntet zu haben. Es ist lustig wie diese Herrn über Kotzebue sich moquieren, als wenn sie wirklich Geschmack hätten. Indeß ist nicht zu läugnen, daß sie manchen Tadel wirklich richtig meynen und begründen, nur hängt es bei ihnen nicht zusammen. Ihre Bemerkungen über Macbeth wollen wir so gut als möglich zu nutzen suchen. Da ohnehin eine andre Besetzung des Stücks nothwendig wird, weil Vohs nicht den Macbeth spielen kann, und Spangler abgegangen ist, so könnte man über die Besetzung der Hexen vielleicht noch etwas anders beschließen. 

Cotta scheint ein Wort von Ihnen zu erwarten und ist Ihres Stillschweigens wegen in Sorgen. Die Nachdrucker machen ihm jezt wegen des Wallenstein zu schaffen. Einer in Bamberg hat ihn schon gedruckt und versendet, ein andrer in Wien hat ein kaiserliches Privilegium darüber erhalten. So kommt uns von dorther nie etwas gutes, aber sie stören und hindern desto mehr. 

Leben Sie recht wohl, und beendigen Sie bald Ihr Geschäft, um sich hier wieder einzufinden und zusammen zu ziehen, eh der Winter kommt. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 207. Z. 12. Die Arbeit war Schs. Brief für die Propyläen. Meyer, Schiller u. Goethe behandelten die auf Anlaß der Preisaufgabe eingegangenen Bilder aus verschiedenen Gesichtspunkten.
Zu S. 208. Z. 4. Goethe hatte mit X. einen Aufsatz W. v. Humboldts über den Trimeter übersandt, den er noch bei sich zu liegen hatte. Zu Z. 16. Vgl. X. Zu Z. 21. Vgl. Cottas Brief vom 23. Sept. Die Nachschrift lautete: „Göthe schreibt mir gar nicht mehr; er ist doch nicht ungehalten auf mich?“