Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Charlotte von Kalb

Weimar 25 Jul. [Freitag] 1800.

Es war uns sehr erfreulich theure Freundin, wieder nach langer Zeit etwas von Ihnen zu hören, obgleich der Innhalt Ihres Briefes mir Kummer macht. Wie beklag ich es, Sie in einer Lage zu wißen, die Ihrer so wenig würdig ist, und statt einer freien und heitern Thätigkeit Sie Pflichten übernehmen zu sehen, die Sich weder mit Ihrer Gesundheit noch mit der Unabhängigkeit zu der Sie gewöhnt sind, vertragen. Ich zweifle gar nicht, daß Sie auf die moralische Bildung junger Personen sehr glücklich wirken können, aber ich zweifle, ob die kleinen Details, die von einer solchen Beschäftigung unzertrennlich sind, die anhaltende Aufmerksamkeit welche sie erfodert und der Zwang den sie auflegt Ihrer Art zu seyn und zu wirken jemals angemessen seyn werden. Ihr Geist muß durch ein lebhafteres Interesse gereizt werden, als diese an sich gemeine Beschäftigung je gewähren kann. Dazu können, nach meinem Urtheil, nur mittelmäßige Fähigkeiten passen, Ihr Geist aber will eine höhere Richtung und einen kühneren Gang nehmen. Sie sind, wenn ich es kurz sagen soll, viel zu individuell gebildet, und diese Beschäftigung verlangt gerade das Gegentheil, eine ganz allgemeine generische Form. 

Wenn Sie mir aber antworten, daß die äusern Umstände Sie nöthigen, diesen Entschluß zu ergreifen, so gebe ich Ihnen zu bedenken, ob diese Unternehmung Sie nicht in größere Unkosten und in Sorgen verwickelt, die Ihnen drückend und unerträglich werden können. Nur bei einer großen Anzahl von Pensionaires läßt sich allenfalls etwas gewinnen, aber Sie würden Sich nur auf wenige einschränken können, und es fehlt Ihnen zu Ihrer Ehre, die Kleinlichkeit der Gesinnung, welche nöthig ist, im Kleinen zu gewinnen und zu ersparen. Also kann ich auch, von Seiten des Nutzens, nicht zu diesem Schritt rathen.


Bemerkungen

1 Zu S. 175. Z. 5. Das zweite Blatt ist abgerissen.