Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Weimar den 9. Mai [Freitag] 1800.

Ich erfahre in diesem Augenblick, daß jemand aus Ihrem Hause nach Leipzig abgeht und benutze diese Gelegenheit, Ihnen nur ein paar Worte zum Gruß zu schreiben. Ihre Abwesenheit empfinde ich sehr, und doppelt empfind ich sie, weil ich mich jezt nicht in meiner Arbeit verlieren kann, denn die Proben von Macbeth zerschneiden mir die Zeit gewaltig, und zum fünften Akte der Maria habe ich nicht kommen können, auch nicht wollen, weil ich dazu einer eigenen Stimmung bedarf.

Wie man mir sagt, so kommen Sie erst auf den Mittwoch zurück. Wir können Sie also gleich mit dem Macbeth empfangen, denn dieser ist bis dahin verlegt worden. 

Meine Gesundheit hat sich immer recht wohl gehalten, ich gehe mit Meiern viel spazieren. Meine Kleine ist seit 5 Tagen inoculiert worden, und wir erwarten nun mit Furcht und Hofnung den Ausbruch der Blattern. 

Ich muß eilen, weil man im Augenblick abreißt. Leben Sie recht wohl, kommen Sie gesund zurück. Leider werde ich Sie nur Einen Tag hier sehen, und dann meine poetische Einsamkeit beziehen.

Sch. 

Innlage bitte ich an Cotta zu besorgen. Er wird mit etwas Geld schicken, und ich bitte Sie, wenn es Sie nicht beschwert, es mir mitzubringen. 

[Adresse:]
   Des Herrn Geheimen Rath
                von Göthe
            Hochwohlgeb.
                              in
                                    Leipzig.


Bemerkungen

1 S. 152. Z. 11. B. habe ich mich in diesen Tagen damit etc. Z. 14. B. zur Hand. Z. 24. In B. fehlt „ihm“.
Zu S. 152. Z. 5. Goethe war in Leipzig. Zu Z. 16. Die erste Aufführung des Macbeth fand am 14. statt. Zu Z. 19. Vgl. zu Nr. 1577. Zu z. 26. Kotzebues Lustspiel: Der Besuch oder die Sucht zu glänzen erschien 1801. Darin kommt die Stelle vor:
Klementine: Sie kennen ohne Zweifel die Propyläen?
Seemann: Nein.
Klementine: Die müssen Sie kennen lernen, das sind die Vorhöfe des Tempels. Die gemeinsten Dinge werden darin auf eine neue Art, in einer neuen Sprache vorgetragen. Und eine Preisaufgabe – im Vertrauen, mein Herr, ich habe auch mit konkurrirt – ein Gemälde der Helena, wie sie von der Venus dem Paris vorgestellt wird – und ich schmeichle mir wirklich ein wenig mit der Hoffnung, den Preis davonzutragen.
Zu S. 153. Z. 1. Vgl. X. Zu Z. 10. Nach K. hatte Sch. am 26. April an Opitz geschrieben, und am 9. Mai traf Opitz’ Antwort vom 3. Mai ein, der aus den gleichen Gründen wie Iffland den Macbeth ablehnte. Vgl. Urlichs, Brfe. an Sch. Nr. 250. zu Z. 16. Jean Paul und seine Braut Karoline v. Feuchtersleben trafen mit Herder u. seiner Gattin am 2. Mai in Ilmenau zusammen, wo aber statt der Trauung die Lösung des Verhältnisses erfolgte (Düntzer).
Zu S. 153. Z. 22. Auch dieser Brief ist noch nach Leipzig gerichtet. Z. 23. Düntzer merkt an, der jemand sei die Vulpius, die Schiller sich zu nennen gescheut habe.
Zu S. 154. Z. 9. Schiller zog am 15. nach Ettersburg. Goethe kehrte erst am 16. Mai zurück. Vgl. Schriften der Goethe-Gesellsch. IV. 386.