Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 22. 8br. [Dienstag] 99.

Es geht mit der Erhohlung der kleinen Frau etwas langsam, doch ist sie von übeln Zufällen verschont geblieben und das Kleine nimmt täglich zu und zeigt sich als einen frommen ruhigen Bürger des Hauses. Unter diesen Umständen habe ich indeß mein Gemüth noch nicht recht sammeln können, da ich mich nicht isolieren kann und auch zu oft abgerufen werde. 

Und doch etwas zu thun, habe ich über die Disposition meiner Malthester-Tragödie nachgedacht, damit ich dem Herzog sogleich bei meiner Ankunft etwas bedeutendes vorzulegen habe. Es wird mit diesem Stoff recht gut gehen, das Punctum saliens ist gefunden, das Ganze ordnet sich gut zu einer einfachen großen und rührenden Handlung. An dem Stoff wird es nicht liegen, wenn keine gute Tragödie, und so wie Sie sie wünschen, daraus wird. Zwar reiche ich nicht aus mit so wenigen Figuren, als Sie wünschen, dieß erlaubt der Stoff nicht; aber die Mannichfaltigkeit wird nicht zerstreuen und der Einfachheit des Ganzen keinen Abbruch thun. 

Die vom Herzog vorgeschlagene Geschichte des Martinuzzi liefert brauchbares für die Tragödie. Sie enthält bloß Begebenheiten keine Handlung und alles ist zu politisch darinn. Es ist mir recht lieb daß der Herzog selbst nicht weiter darauf besteht. 

Vossens Almanach zeigt wirklich einen völligen Nachlaß seiner poetischen Natur. Er und seine Compagnons erscheinen auf einer völlig gleichen Stufe der Platitude und in Ermanglung der Poesie waltet bei allen die Furcht Gottes. 

Ich wünsche morgen von Ihnen zu hören, daß Sie dem Mahomet unterdessen etwas abgewonnen haben. 

In der Erlanger Zeitung soll Herder sehr grob recensiert worden seyn. 

Unser Almanach nimmt sich noch ganz gut und neben seinen Cameraden vornehm genug aus. 

Ich habe in den neuen Band von Schlegels Shakespear hinein gesehen und mir däucht, daß er sich viel härter und steifer liest als die ersten Bände. Wenn Sie es auch so finden, so wärs doch gut, ihm etwas mehr Fleiß zu empfehlen. 

Die Frau grüßt Sie freundlich. 

Leben Sie recht wohl. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 101. Z. 10. Der Herzog hatte Sch. die Bearbeitung der Geschichte des Martinuzzi (nach Bechet, histoire du ministère du Cardinal Martinutius) vorgeschlagen, nach X. aber ging er von der Idee ab und wünschte bald ein Schema der Maltheser zu sehen. Schiller schrieb dann am 20. Okt. der Herzogin und erwähnte wohl, daß er diesem Wunsche des Herzogs nachkommen wolle. Der Herzogin Antwort vom 21. Okt. (eingetr. d. 23.) ist abgedruckt in Carl Augusts erstes Anknüpfen m. Sch. Zu S. 131. In einer Recension in der Erlanger Litt. Zeitung vom 9. u. 10. Okt. von Herders Metakritik wurde diesem zügellose Eitelkeit und freche Unwissenheit vorgeworfen; er habe keine Ahnung von dem, was Philosophie sei und thue lauter Luftstreiche (Düntzer).