Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena 9. Aug. [Freitag] 99. 

Mein langes Stillschweigen wird Dir ohne Zweifel schon bewiesen haben, daß ich über die Ohren in meiner neuen Arbeit stecke und so ists auch. Ich habe mich in den zwei letzten Monaten von allen andern Dingen abgezogen um so rasch als möglich in das Innerste meines Geschäfts zu kommen, und ich bin auch auf gutem Weg dazu. Ein Dritttheil der neuen Tragödie habe ich schon hinter mir, und das schwerste vom Ganzen. Ich bin nun sicher, dass ich mich im Stoff nicht vergriffen habe, ob man gleich glauben sollte, daß ein so allgemein bekannter und tragischer Stoff, eben weil er noch von keinem guten Poeten benutzt worden, einen geheimen Fehler haben müsse. Meine Gesundheit und der Aufenthalt im Garten kommen mir gut zu statten, auch die Einsamkeit, die ich seit mehreren Monaten genieße, denn auch Göthe ist diesen Sommer nicht hier gewesen, weil der Schloßbau in Weimar ihn nicht wegläßt. Ich erwarte ihn aber in einigen Wochen. 

In Weimar war ich bei des Königs v. Pr. Anwesenheit und habe mich dem Königl. Paar auch präsentieren müssen. Die Königin ist sehr grazios und von dem verbindlichsten Betragen. Der Wallenstein wurde gespielt und mit großer Wirkung. Was mich bei allen Vorstellungen, die ich von diesem Stück seitdem gesehen habe, verwunderte und erfreute, ist, daß das eigentlich poetische, selbst da, wo es von dem dramatischen ins lyrische übergeht, immer den sichersten und tiefsten Eindruck allgemein hervorbrachte. 

Weil ich mich für die nächsten 6 Jahre ganz ausschließend an das Dramatische halten werde, so kann ich es nicht umgehen, den Winter in Weimar zuzubringen, um die Anschauung des Theaters zu haben. Dadurch wird meine Arbeit um vieles erleichtert werden, und die Phantasie erhält eine zweckmäßige Anregung von aussen, da ich in meiner bisherigen isolierten Existenz alles, was ins Leben und in die sinnliche Welt treten sollte, nur durch die höchste innere Anstrengung und nicht ohne große faux frais zu Stande brachte. Ich werde meinem Herzog zu Leibe rücken, daß er mir Zulage giebt, um eine doppelte Wohnung und Einrichtung und den theuren Auffenthalt in Weimar mir zu erleichtern. 

Uebrigens aber sind die dramatischen Arbeiten auch die lucrativsten für mich, weil ich jedes Stück von mehreren Bühnen bezahlt bekomme und der Verleger mir auch mehr als für jede andre Arbeit dafür geben kann. Außerdem sind mir von einem Londoner Buchhändler Anträge geschehen, mir für jedes Mscrpt, das ich noch ungedruckt nach England zum Uebersetzen schicke 60 Pfund zu bezahlen unter der einzigen Bedingung daß das englische 14 Tage früher erscheint als das Original in Deutschland. 

Du ersiehst daraus, daß ich auch nicht einmal mehr den Sporn der Finanzen habe, um den Almanach fortzusetzen. Wenn Du wüßtest, welch unendlichen Secaden mich dieser Berührungspunct mit 20 oder 30 Versenmachern in Deutschland aussetzte, und wie schwer es hält, bei dem ungeheuren Zuströmen des Mittelmäßigen und Schlechten auch nur ein paar Bogen leidliche Arbeit zu halten, Du würdest mir Glück wünschen, dass ich diese Bürde abgeworfen. Von jetzt an gottlob habe ich mit keinem schlechtern Poeten mehr zu thun, als ich selbst bin und selbst um das Publikum werde ich mich nicht sonderlich mehr zu bekümmern brauchen. 

Lottchen hat vielleicht schon geschrieben, daß unsrer kleinen Familie gegen Ende des Herbsts ein Zuwachs bevorsteht. – Möge nur alles glücklich von statten gehen. – Während der Schwangerschaft hat die arme Lotte immer viel von Krämpfen zu leiden.

Minna ist wie wir hoffen, wieder ganz wohl, und ihr werdet die schöne Jahrszeit nun auch zuweilen im Garten genießen.

Herzlich grüßen wir euch alle. 

Dein 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 65. Z. 9. Schillers letzter Brief war vom 20. Juni (Nr. 1470). Zu Z. 28. Die Aufführung fand am 2. Juli statt.
Zu S. 66. Z. 11. Am 1. Sept. schrieb Sch. an den Herzog, der am 11. Sept. antwortete. Vgl. Carl Augusts erstes Anknüpfen mit Schiller (Cotta 1857. Nr. 9), wo das Datum fälschlich 11. Juli lautet. Zu Z. 19. Vgl. G. H. Nöhdens Brief an Schiller vom 24. Juli 1799 (eingetr. d. 7. Aug.). Brfw. m. C. S. 345.