Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 24. Jul. [Mittwoch] 99.

Ich höre, daß Sie in Roßla sind, woraus ich zu meinem großen Vergnügen schließe, daß Ihre Hieherkunft nicht mehr weit entfernt ist. Es wird auch meiner Existenz einen ganz andern Schwung geben, wenn wir wieder beisammen sind, denn Sie wissen mich immer nach außen und in die Breite zu treiben; wenn ich allein bin, versinke ich in mich selbst. 

Tieck aus Berlin hat Sie besucht, ich bin begierig wie Sie mit ihm zufrieden sind, da Sie ihn länger gesprochen haben. Mir hat er gar nicht übel gefallen; sein Ausdruck ob er gleich keine große Kraft zeigt ist fein, verständig und bedeutend, auch hat er nichts kokettes noch unbescheidenes. Ich hab ihm, da er sich einmal mit dem Don Quixote eingelassen, die spanische Literatur sehr empfohlen, die ihm einen geistreichen Stoff zuführen wird, und ihm, bei seiner eigenen Neigung zum Phantastischen und Romantischen, zuzusagen scheint. So müßte dieses angenehme Talent fruchtbar und gefällig wirken, und in seiner Sphäre seyn. 

Mellisch hat mir von seiner Burg einige Fragmente aus dem Piccolominis in der allgemeinen Zeitung in Jamben übersezt zugeschickt, die, wenn sie der englischen Sprache ganz gemäß sind, die Gedanken gut ausdrücken und auch das eigenthümliche der Diction gut nachahmen. Er hat Lust das Ganze zu übersetzen, wenn für ihn und mich der gehörige Vortheil dabey zu gewinnen ist, und hat deßwegen an Sheridan geschrieben. 

Mit dem Ersten Akt der Maria hoffe ich zu Ende dieser Woche ganz im Reinen zu seyn. Ich sollte freilich schon wieder vorwärts gekommen seyn, aber dieser Monat war mir nicht so günstig als der vorige. Ich bin zufrieden, wenn ich den dritten Akt mit in die Stadt bringe. 

Das Ungewitter aus Osmannstädt scheint sich zu verziehen. Wenigstens höre ich, daß Anverwandte der La Roche, die hier wohnen, dorthin seien berufen worden, um sie zu sehen. 

Wenn Sie nach Weimar zurückkommen, so haben Sie doch die Güte, das was von dem Gedicht d Fr Imhof fertig ist, an Gädike zu geben und ihm den Almanach von 1797 und 1798 zur Norm vorzuschreiben, nur mit dem Unterschied, daß er auf jede Seite nur 9 Hexameter setzt und vor jedem Gesang ein Blatt leer läßt, worauf nichts steht und der wievielte Gesang es ist. Leben Sie recht wohl die Frau grüßt sie aufs allerschönste. 

Sch.


Bemerkungen

1 Der Brief ist nach K. am 23. Juli abgesandt. Vollmer hat ihn ebenso datiert entgegen der Handschrift. Da Sch. nach dem Inhalt des Briefes noch nicht mit dem 1. Akt der Maria fertig war, nach K. aber am 24. der 1. Akt vollendet und am 25. der 2. Akt begonnen wurde, so ist das richtige Datum für den Brief auch wohl der 23. Juli.
X. Vom 20. Juli. Z. Vom 24. Juli.
Zu S. 60. Z. 20. Mellish wohnte auf dem herzogl. Schlosse zu Dornburg. Wegen der Übersetzungen vgl. zu Nr. 1464. Zu Z. 32. Das Ungewitter ist die La Roche.
Zu S. 61. Z. 5. Gädike ist der Buchdrucker.