Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 4. Jun. [Dienstag] 99.

Hier erfolgt Körners Aufsatz über den Wallenstein. Er ist aber, so wie er ist, nicht zu gebrauchen, weil er sich die Bequemlichkeit gemacht hat, lieber den Dichter, statt seiner, sprechen zu lassen, und auf diese Weise das Werk in Fetzen zerrissen vor das Publikum bringt. Wenn das Stück schon gedruckt wäre, möchte das hingehen, so aber finde ich meine Rechnung nicht dabey. Es ist glücklicherweise nicht so pressant es abzuschicken, denn ich denke Sie werden mit mir einig seyn, daß man, weil man doch solang gewartet hat, die Anzeige nach der vierten Vorstellung des Wallenstein abschickt. Bis dahin will ich die Körnerische Arbeit noch vornehmen, und darinn mehr den erzählenden als den dramatischen Ton herrschen lassen, auch noch einige Aufschlüsse über das Ganze einflechten. 

Ich habe mich nicht enthalten können, weil das Schema zu den ersten Akten der Maria in Ordnung, und in den lezten nur noch ein einziger Punkt unausgemacht ist, um die Zeit nicht zu verlieren, gleich zur Ausführung fortzugehen. Ehe ich an den zweiten Akt komme, muß mir in den lezten Akten alles klar seyn. Und so habe ich denn heute, den 4ten Juny dieses Opus mit Lust und Freude begonnen, und hoffe in diesem Monat schon einen ziemlichen Theil der Exposition zurück zu legen. 

Was Sie mir von den Schwestern zu Lesbos schrieben hat mir großen Trost gewährt. Auch meine Schwägerin schrieb mir von dieser Zusammenkunft und konnte mir nicht genug rühmen, wie viel sie dabei gelernt habe. 

Ich lese jetzt in den Stunden, wo wir sonst zusammen kamen, Lessings Dramaturgie die in der That eine sehr geistreiche und belebte Unterhaltung giebt. Es ist doch gar keine Frage, daß Lessing unter allen Deutschen seiner Zeit über das was die Kunst betrift am klarsten gewesen, am schärfsten und zugleich am liberalsten darüber gedacht und das wesentliche worauf es ankommt am unverrücktesten ins Auge gefaßt hat. Ließt man nur ihn, so möchte man wirklich glauben, daß die gute Zeit des deutschen Geschmacks schon vorbei sey, denn wie wenig Urtheile die jetzt über die Kunst gefällt werden, dürfen sich an die seinigen stellen. 

Ist es denn wahr daß die Königin von Preußen den Wallenstein in Berlin nicht hat wollen spielen sehen, um ihn in Weimar zuerst kennen zu lernen? 

Schreiben Sie uns doch, ob die la Roche in Osmanstedt angelangt ist? Auch meiner Frau liegt an dieser Nachricht.

Auch bitte ich mir durch Vulpius das Verzeichniß der von mir einzusendenden Bücher zurückschicken zu lassen, nebst einem Catalog der Auction, wenn noch einer zu haben. 

Leben Sie recht wohl und genießen Sie die jetzigen angenehmen Tage. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 36. Z. 17. Körner hatte auf Schs. Bitte vgl. Nr. 1454 u. 1457 am 30. Mai einen Aufsatz über Wallensteins Tod für die Allgem. Zeitung an Sch. übersandt, der am 3. Juni in Jena eingetroffen war. Er hatte sich nicht ganz streng an die Form der Anzeige der Piccolominie, die Schiller und Goethe verfaßt hatten, gebunden und freier ganz nach seiner Art mit Lust und Liebe gearbeitet. Damit kam er aber diesmal bei Schiller schlecht an. Körner hatte ihm zu viel Stellen aus dem Drama abgedruckt. Ob Schiller seinen Vorsatz, die Anzeige umzuarbeiten, ausgeführt hat, kann ich nicht einmal im Augenblick feststellen. In seinen Briefen ist davon nicht die Rede, und die Allgem. Zeitung ist mir jetzt nicht zur Hand. Ich vermute, die Anzeige ist überhaupt nicht gedruckt.
Zu S. 37. Z. 6. Goethe hatte in X. geschrieben, daß er in einer Konferenz mit Amalie von Imhoff bei Frau von Wolzogen rigoristische Forderungen über ihr Gedicht aufgestellt habe, und es sei Hoffnung, die Sache werde sich nach seinem und Schs. Wunsche noch geben. Vgl. zu Nr. 1459. In K. steht unter dem 5. Juni ein Brief von Caroline eingetragen. Ich kenne ihn nicht. Zu Z. 21. Goethe bestätigte die Nachricht über die Königin Luise in Z. Zu Z. 24. Die La Roche verschob ihre Reise und traf erst am 15. Juli in Oßmannstädt ein.