Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena 10. Febr. [Sonntag] 99. 

Es ist eine Ewigkeit, daß ich weder an Dich noch an sonst einen Menschen in der Welt geschrieben habe. Du weißt aber die Verhinderung und wirst mich entschuldigt haben1. Seit etlichen Tagen bin ich von Weimar zurück, wo ich 5 Wochen lang mit meiner ganzen Familie gewesen, um durch persönliches Treiben und Bemühen eine erträgliche Darstellung meiner Piccolomini zu bewirken. Dieß ist nun glücklich überstanden, meine Absicht ist erreicht worden, das Stück hat alle Wirkung gethan, die mit Hilfe dieses Theaterpersonals nur irgend zu erwarten gewesen. Es wurde zweimal hintereinander gespielt2und das Interesse ist bei der zweiten Repraesentation noch gestiegen. Es kommt mir zwar selbst sonderbar vor, daß das Publicum meinen Wallenstein früher kennen lernen soll, als Du; aber ich kanns einmal nicht ändern. Du erhältst ihn nicht eher, als biß alles fertig ist, das ist eine Freude, die ich mir vorbehalten habe; von Dir will ich ein reines Urtheil über das Ganze hören. In spätestens 6 Wochen hoffe ich das lezte Stück vollendet zu haben, dann erhältst Du alles auf einmal. 

Mein Auffenthalt in Weimar hat mir auch in Rücksicht auf meine Gesundheit neue gute Hofnungen erweckt. Ich bin genöthigt gewesen, alle Tage in Gesellschaft zu seyn, und ich habe es wirklich durchgesetzt, mir etwas zuzumuthen. Selbst an d Hof und auf die Redoute bin ich gegangen, ohne daß meine Krämpfe mich daran gehindert, und so hab ich in diesen 5 Wochen wieder als ein ordentlicher Mensch gelebt und mehr mitgemacht, als in den letzten 5 Jahren zusammengenommen. Freilich habe ich diese 5 Wochen für meine Arbeit ganz verloren, sonst könnte ich heute mit dem ganzen Wallenstein fertig seyn, aber in anderer Rücksicht reuen mich diese Zerstreuungen gar nicht.

Deine Anmerkungen über den Almanach haben uns wieder sehr viel Vergnügen gemacht; wir treffen fast überall in unserm Urtheil zusammen. Setze sie ja fort. 

Humboldts Schrift wirst Du nun erhalten haben. Was sagst Du dazu? Sie ist freilich sehr trocken und fast scholastisch geschrieben, aber unläugbar enthält sie einen Schatz von Gedanken.

Laß mich doch hören, was man bei euch in Dresden von Fichtes Apologie spricht. In Weimar und auch hier misfällt der Ton sehr, worinn sie abgefaßt ist. 

Nun lebe recht wohl. Ich sehne mich sehr wieder etwas von Euch zu hören. 

Die Kinder befinden sich recht wohl, überhaupt sind wir in der schrecklichen Kälte ganz gut durchgekommen. 

Herzlich umarmen wir euch alle. 

Dein 

Sch.


1 Doch finden sich zwei im Kalender nicht verzeichnete Briefe aus dem Januar, einer vom 25. an Iffland (Teichmanns Nachlaß S. 205) und einer vom 26. an Fichte (Briefwechsel S. 59). Die „Verhinderung“ machten die Piccolomini, zu deren Inscenesetzung Schiller am 4. Januar gereist war; er kam am 7. Febr. mit Goethe wieder nach Jena. ­
2 Am 30. Januar und 2. Februar. ­


Bemerkungen

1 Zu S. 7. Z. 21. Seit dem 7. war er wieder in Jena. Zu Z. 28. Die Piccolomini waren am 30. Januar und 2. Febr. gespielt worden.
Zu S. 8. Z. 13. Er war vom 4. Januar bis 7. Febr. in Weimar. Zu Z. 19. Humboldts Schrift über Hermann und Dorothea. Zu Z. 23. Vgl. zu Nr. 1430.