Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 21. Aug. [Dienstag] 98. 

Das Wetter Allein hat mich, am Freitag und Sonnabend, von dem versprochnen Besuch abgehalten, indem ich doch auch gewünscht hätte, Ihre Besitzungen zu durchwandern, welches bei dem Regenwetter nicht wohl angieng. Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, fast eine Woche nichts von Ihnen zu sehen und zu hören; unterdessen habe ich einige Dutzend Reime gemacht und bin eben an der Ballade, wobey ich mir die Unterhaltung verschaffe, mit einer gewißen plastischen Besonnenheit zu verfahren, welche der Anblick der Kupferstiche in mir erweckt hat. 

Daß ich Ihnen die zwey letzten Akte vom W. vorlas, und mich von Ihrem Beyfall überzeugen konnte, ist eine wahre Wohlthat für mich gewesen, und wird mir den Muth geben und erhalten, den ich zur Vollendung des Stücks noch so nöthig brauche. 

Auf der andern Seite hingegen könnte es mich beinah traurig machen, daß ich nun nichts mehr vor mir habe, worauf ich mich bei dieser Arbeit so recht freuen kann; denn Ihnen das fertige Werk vorzulesen und Ihrer Zufriedenheit gewiß zu seyn, war im Grund meine beste Freude, denn bei dem Publikum wird einem das wenige Vergnügen durch so viele Mistöne verkümmert. 

Humboldten habe ich vorigen Freitag geantwortet und ihm von dem Schicksal seiner Schrift Nachricht gegeben, die ihn hoffentlich ganz zufrieden stellen wird. 

Eben unterbricht mich unser Prorector Paulus. Ich schreibe Morgen Abend ein Mehrers. 

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt aufs beste.

S. 

[Adresse:] 
         an des Herrn 
   Geh. Rath von Göthe 
        Hochwohlgeb.
                                 in 
   fr.                               Weimar.


Bemerkungen

1 Zu S. 416. Z. 11. Ihre Besitzungen, d. h. das Gut in Oberroßla. Zu Z. 13. Goethe war am 16. aus Jena abgereist. Zu Z. 15. Die Ballade ist der Kampf mit dem Drachen. Was das für Kupferstiche gewesen sind, weiß ich nicht zu sagen. Zu Z. 28. Der Brief an Humboldt vom 17. fehlt. Am 13. hatte Schiller das Mscrpt. der Humboldtschen Schrift über Hermann u. Dorothea an Vieweg in Berlin zum Druck eingesandt, der am 25. den Empfang bestätigte (eingetr. d. 1. Sept.). Vgl. Gödeke, Geschäftsbr. Nr. 134.