Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 11. Jul. [Mittwoch] 98. 

Ich begleite die Magnetica, welche Geist abhohlt, mit einigen Zeilen, um Ihnen unsre herzlichste Grüße und Wünsche zu sagen. Diese Störungen sind freilich sehr fatal, aber insofern sie die poetischen Geburten bei Ihnen retardieren, so können sie vielleicht eine desto raschere und reifere Entbindung veranlassen und den Spätsommer von 96 wiederhohlen, der mir immer unvergeßlich bleiben wird. 

Ich werde unterdessen die lyrische Stimmung in mir zu nähren und zu benutzen suchen und hoffe, wenn Sie kommen, den Anfang endlich mit einem eignen Beitrag gemacht zu haben. 

Grieß schickte mir so eben ein mächtig großes Gedicht aus Dresden, das mir halb so groß noch einmal so lieb wäre.

Heute wird wahrscheinlich mein Gartenhäuschen gerichtet, welches mir den Nachmittag wohl nehmen wird; denn so etwas ist für mich eine neue Erfahrung, der ich nicht widerstehen kann. 

Leben Sie recht wohl, bleiben Sie so kurze Zeit weg als möglich. Meine Frau grüßt aufs schönste. 

S.


Bemerkungen

1 Goethe war vom 4. (?) bis 9. Juli wieder in Jena gewesen.
Zu S. 402. Z. 8. Schiller meint die rasche Arbeit Goethes an Hermann u. Dorothea im Spätsommer 1796. Zu Z. 13. Gemeint ist wohl Gries’ Gedicht Der Arzt im Musenalmanach 1799.