Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Karl Böttiger

Jena 18. October [Mittwoch] 1797.

Haben Sie recht schönen Dank von mir und meiner Frau, für das schöne Geschenk, das unser edler Freund uns durch Sie sendet. Man weiß kaum, was man dazu sagen soll, wenn man Gedichte von dieser Art und Abkunft in Verbindung mit Messer und Schere in die Hand bekommt und so die höchsten und die gemeinsten Bedürfnisse der Sterblichkeit zugleich befriediget sieht. Es hat aber auch dieser Umstand, obgleich nur ein Buchhändlers Einfall, doch einen eignen Reiz für mich; er erregt augenblicklich die Täuschung, als ob wirklich unsre Märkte uns solche Waaren liefern könnten, da doch ohne Uebertreibung manches Jahrhundert vergangen ist und künftig vergehen dürfte, wo an einen solchen Artikel nicht zu denken seyn möchte. 

Führen Sie ja ihren Vorsatz aus, einige Worte über die großen Vortheile der lauten Recitation bei dergleichen Dichterwerken dem Publicum ans Herz zu legen: sie sollen mir für die Horen sehr willkommen seyn. Es ist schön und löblich, das Gute und Vernünftige in Schutz zu nehmen, selbst wenn vorher zu sehen wäre, daß die Ungeschicklichkeit nur einen Misbrauch davon machen wird. Und diesen fürchte ich allerdings; denn wenn man den Leuten vordemonstrirt, daß Gedichte, wie natürlich und billig ist, durch das Ohr zu dem Herzen sprechen wollen: so wird man zwar Declamationen genug veranlassen, aber die Kunst der Declamation wird dabey nicht viel gefördert seyn. Ich wünschte in allem Ernst, es kämen in dieser speculationsreichen Zeit einige gute Köpfe auf den Einfall, ein Gedicht, wie unser Hermann und Dorothea ist, von Dorf zu Dorf auf Kirchweihen und Hochzeiten zu recitiren und so die alte Zeit der Rhapsoden und Minstrels zurückzuführen. 

Mündlich mehreres. Ich hoffe Sie recht bald hier zu sehen. Zur Antwort auf Ihr voriges, füge ich noch bey, daß Ihre Vermuthung, Kellern und Selmar betreffend, ganz gegründet ist. – Die kleine Abänderung im Handschuh am Ende glaubte ich der Höflichkeit schuldig zu seyn, obgleich das Factum der Grobheit mir von einem sehr eleganten französischen Schriftsteller St. Foix überliefert wurde, und ich anfangs geglaubt hatte, ein deutscher Poet dürfe darin so weit gehen, als ein französischer Bel Esprit. 

Leben Sie wohl, mein hochgeschätzter Freund. Ganz der Ihrige. 

Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 274. Z. 31. Böttiger hatte für Charlotte ein Exemplar des Kalenders in Seide übersandt, in dem Hermann und Dorothea erschien. Er wurde mit Messer und Schere ausgegeben.
Zu S. 275. Z. 9. Vgl. X. In den Horen erschien von Böttiger nichts. Zu Z. 27. Böttiger hatte die Chiffre R. im Musenalmanach erst auf Sch. gedeutet, in X. aber geschrieben, er erkenne jetzt darin Brinkmann in Berlin, vulgo Selmar. Zu Z. 28. Böttiger hatte im Briefe vom 11. Okt. (Archiv f. Littgesch. XV. S. 300) der ersten Lesart im Handschuh gedacht.