Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 13. Nov. [Sonntag] 96.

Es ist mir ein rechter Trost, Sie wieder in unserer Nähe zu wißen; noch nie ist mir eine Trennung von Ihnen solang vorgekommen wie die jetzige, obgleich ich weniger als sonst mich allein befunden habe. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre neuen Entdeckungen für die Morphologie mittheilen; die poetische Stunde wird schon schlagen.

Hier ist in Ihrer Abwesenheit nichts neues vorgefallen; auch aus der litterarischen Welt habe ich nichts in Erfahrung gebracht. Hier des Coadjutors Brief, die Xenien betreffend; Sie sehen daraus, daß man viel sündigen kann, wenn man sich nur erst in einen recht moralischen Ruf gesetzt hat.

An der neuen Auflage des Almanachs wird eben jetzt hier in Jena gedruckt; denn eine reifere Ueberlegung hat mich doch veranlaßt, dieses Geschäft lieber hier gleich vornehmen zu lassen, als in Tübingen; Göpferdt hat sich verbindlich gemacht, mit Anfang Decembers damit fertig zu seyn. Ich werde Ihnen nächste Woche Papier zu der Decke senden, davon wir jetzt, außer den vorräthigen Abdrücken, noch 425 neue brauchen. Auch habe ich die Boltische Kupferplatte der Terpsichore hier, wovon doch wohl auch in Weimar die nöthigen Abdrücke gemacht werden können.

Ich habe in dieser Zeit die Quellen zu meinem Wallenstein fleißig studiert, und in der Oekonomie des Stücks einige nicht unbedeutende Fortschritte gewonnen. Je mehr ich meine Ideen über die Form des Stücks rectifiziere, desto ungeheurer erscheint mir die Masse, die zu beherrschen ist, und warlich, ohne einen gewissen kühnen Glauben an mich selbst würde ich schwerlich fortfahren können.

Haben sie Böttichers Schrift über Ifland, so bitte ich Sie, sie uns zu schicken. Man erzählt so viel närrisches davon; besonders soll ein Brief von der Frau Scharlotte darin zu finden seyn.

Noch lege ich Ihnen ein Blättchen Hexameter (!) bey, welche in Breslau von einem Champion des Herrn Manso, gegen Sie oder mich, gemacht worden sind. Es ist doch sonderbar, daß unsere bißherigen Angreifer im SilbenMaaße schon verunglücken.

Alexander v. Humboldt soll über die Xenien recht entzückt seyn, sagt mir sein Bruder. Das ist doch wieder eine neue Natur, die sich diesen Stoff assimilieren kann.

Leben Sie recht wohl. Es grüßt Sie alles aufs beßte; Humboldts, die für den Meister herzlich danken, sehnen sich, Sie zu sehen. Alles ist wohl bey mir.

Sch.