Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

[28. Oct. Freitag. 1796.]

Dein letzter Brief über den Almanach hat mich recht erfreut und erquickt; auch Goethe, dem ich ihn sogleich zugesendet, ist sehr davon erbaut worden, und trägt mir auf, Dir dieses in seinem Namen zu versichern. Er sieht deswegen Deinem Urtheile über den 4ten Band des Meister mit großem Verlangen entgegen; und wenn Du Dir einige Stunden dazu abmüßigen kannst, so schreibe mir ja Deine Gedanken ausführlich darüber.

Goethe hat jetzt ein neues poetisches Werk unter der Arbeit, das auch größtentheils fertig ist1. Es ist eine Art bürgerlicher Idylle, durch die Luise von Voß in ihm zwar nicht veranlaßt, aber doch neuerdings dadurch geweckt; übrigens in seiner ganzen Manier, mithin Voßen völlig entgegengesetzt. Das Ganze ist mit erstaunlichem Verstande angelegt, und im ächten epischen Tone ausgeführt. Ich habe 2 Drittheile davon, nämlich 4 Gesänge gehört, die vortrefflich sind. Das Ganze kann wohl 12 Bogen betragen. Die Idee dazu hat er zwar mehrere Jahre schon mit sich herumbetragen, aber die Ausführung, die gleichsam unter meinen Augen geschah, ist mit einer mir unbegreiflichen Leichtigkeit und Schnelligkeit vor sich gegangen, so daß er 9 Tage hintereinander, jeden Tag über anderthalb 100 Hexameter niederschrieb.

Von dem Schicksale unsers Almanachs in der Welt habe ich noch nicht viel in Erfahrung bringen können. Für das Komische darin ist in der jetzigen Lesewelt zu wenig Humor, und für das Ernsthafte zu wenig Tiefe. Von der einen Seite haben wir also an der Schwerfälligkeit, und von der andern an der Flachheit einen unüberwindlichen Feind zu erwarten. Ich bekümmere mich auch nicht mehr darum, denn das Publicum in Rücksicht auf mich habe ich aufgegeben. Glücklicherweise kann ich bei meiner jetzigen und künftigen Schriftstellerei, der dramatischen, das Publicum, sowie es ist, ganz vergessen, und doch, bis auf einen gewissen Grad, es beherrschen und gewinnen.

Der Wallenstein beschäftigt mich jetzt ernstlich und ausschließend. Noch sehe ich zwar nicht auf den Boden, hoffe aber doch in höchstens 3 Monaten des Ganzen ziemlich Herr zu seyn, so, daß ich an die Ausführung gehen kann. Diese ist alsdann die Arbeit von wenigen Monaten. Mir ist bei dieser neuen Beschäftigung recht wohl, und ich glaube, daß ich lange dabei bleiben werde.

Humboldt kommt in 3 Tagen hier an. Seine Frau und Kinder sind schon hier, er ist aber noch in Halle bei Wolfen. Meine Kinder sind recht wohl, und der ganz Kleine hat sich seit 10 Tagen so sehr erholt, daß er recht gesund und stark ist. Herzliche Grüße von uns beiden an Euch alle. Lebe recht wohl, und laß mich bald etwas von Dir hören.

Dein

Sch.