Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena, 1. August [Montag]. 96.

Nach langem Hin und Herüberschwanken kommt jedes Ding doch endlich in seine wagrechte Lage. Die erste Idee der Xenien war eigentlich eine fröhliche Posse, ein Schabernak auf den Moment berechnet und war auch so ganz recht. Nachher regte sich ein gewisser Ueberfluß und der Treib zersprengte das Gefäß. Nun habe ich aber, nach nochmaligem Beschlafen der Sache, die natürlichste Auskunft von der Welt gefunden, Ihre Wünsche und die Convenienz des Almanachs zugleich zu befriedigen.

Was eigentlich den Anspruch auf eine gewisse Universalität erregte und mich bei der Redaction in die große Verlegenheit brachte, waren die philosophischen und rein poetischen, kurz die unschuldigen Xenien; also eben die, welche in der ersten Idee auch nicht gewesen waren. Wenn wir diese in dem vordern und gesetzten Theile des Almanachs, unter den andern Gedichten bringen, die lustigen hingegen unter dem Nahmen Xenien und als ein eigenes Ganze, wie voriges Jahr die Epigramme, dem ersten Theile anschließen, so ist geholfen. Auf Einem Haufen beysammen und mit keinen ernsthaften untermischt, verlieren sie sehr vieles von ihrer Bitterkeit, der allgemein herrschende Humor entschuldigt jedes einzelne, so wie Sie neulich schon bemerkten, und zugleich stellen sie wirklich ein gewisses Ganzes vor. Auch die Hiebe auf Reichardt wollen wir unter dem Haufen zerstreuen und nicht, wie erst geschehen war, an die Spitze stellen. Von der einen Seite war die Ehre und von der andern die Beleidigung zu groß, die wir ihm durch diese Auszeichnung anthaten. Und so wären also die Xenien (wenn Sie meinen Gedanken gut heißen wie ich denke) zu ihrer ersten Natur zurückgekehrt, und wir hätten doch auch zugleich nicht Ursache, die Abweichung von jener zu bereuen, weil sie uns manches gute und schöne hat finden lassen.

Und da nach dem neuen Plane diejenigen politischen Xenien von Ihnen, welche bloß Lehren enthalten und gar niemand treffen, von den satyrischen ganz getrennt sind, so habe ich unter jene Ihren Namen gesetzt. Er gehört davor, weil sich diese Confessionen an die Epigramme vom vorigen Jahr und selbst an den Meister anschließen und, in Form und Innhalt, unverkennbar Ihren Stempel tragen.

Ich habe heute wieder keine Nachricht aus Schwaben erhalten; es scheint, daß wir ganz abgeschnitten sind. Hr. v. Funk der mir heute schreib hat aus Artern, seinem gewöhnlichen Quartier, in die Gegend von Langensalza vorrücken müssen. Doch muß man dort nicht viel fürchten, denn er hält diese Stellung für unnütz.

Leben Sie recht wohl.

Sch.