Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 31. Jul. [Sonntag] 1796.

Sie können sich von den Xenien nicht ungern trennen, als ich selbst. Außer der Neuheit u: interessanten Eigenthümlichkeit der Idee ist der Gedanke, ein gewisses Ganzes in Gemeinschaft mit Ihnen auszuführen, so reizend für mich gewesen. Aber seyen Sie versichert, daß ich die Idee nicht meiner Convenienz aufgeopfert habe. Zu einem Ganzen, so wie es auch von dem liberalsten Leser gefodert werden konnte, fehlte noch unübersichtlich viel; eine mühsame Redaction hat mich mit diesem Mangel gar sehr bekannt gemacht. Selbst wenn wir die zwey letzten Monate ausschließend dazu hätten widmen könne, würde weder der satyrische noch der andere Theil die nöthige Vollständigkeit erlangt haben. Das ganze Werk ein Jahr länger liegen zu lassen erlaubte weder das Bedürfniß des Almanachs, noch wäre es wegen der vielen Anspielungen auf das neueste in der Litteratur, welches nach einem Jahre sein Interesse verliert, zu wagen gewesen: und was dieser Rücksichten mehr sind, die ich Ihnen mündlich anführen will. Uebrigens ist uns diese Idee und Form noch gar nicht verloren, denn es ist noch so erstaunlich viel Stoff zurück, daß dasjenige, was wir aus dem alten noch etwa dazu nehmen, darinn verschwinden wird.

Ihren Namen nenne ich sparsam. Selbst bey denjenigen politischen, welche niemanden angreifen, und vor welchen man sich gefreut haben würde ihn zu finden, habe ich ihn weggelassen, weil man diese mit den andern, auf Reichardt gehenden, in Verbindung vermuthen könnte. Stolberg kann nicht geschont werden, und das wollen Sie wohl selbst nicht, und Schlosser wird nie genauer bezeichnet, als eine allgemeine Satyre auf die Frommen erfodert. Außerdem kommen diese Hiebe auf die Stolbergische Sekte in einer solchen Verbindung vor, daß jeder mich als den Urheber sogleich erkennen muß; ich bin mit Stolberg in einer gerechten Fehde und habe keine Schonung nöthig. Wieland soll mit der zierlichen Jungfrau in Weimar wegkommen, worüber er sich nicht beklagen kann. Uebrigens erscheinen diese Odiosa erst in der zweyten Hälfte des Almanachs, so daß Sie bey Ihrem Hierseyn noch heraußwerfen können, was Ihnen gut dünkt. Um Ifland nicht weh zu thun, will ich in dem Dialog mit Shakespeare lauter Schröderische und Kotzebuische Stücke bezeichnen. Sie sind wohl so gütig und lassen mir vom Spiritus das Personal aus 5 oder 6 Kotzebuisch u Schröderischen Stücken abschreiben, daß ich darauf anspielen kann.

Der Cellini pressiert dießmal nicht; denn lieber kann ich schon mehrere Posttage nichts mehr an Cotta bringen; die Post nimmt nichts nach Stuttgart und Tübingen an. Auch die letzte Lieferung des Cellini ligt noch da, die für das 8te Stück bestimmt ist, und Cotta kann das Mscrpt zu dem siebenten, welches bey der Einnahme von Stuttgart noch unterwegs war, nicht empfangen haben.

Aus Schwaben sind seit 8 Tagen keine Nachrichten mehr angelangt, ich weiß nicht wie es um meine Familie steht, noch wo sie sich jetzt aufhält.

Aus Coburg wird heute geschrieben, daß die Franzosen in wenig Tagen darinn einrücken würden, daß aber niemand etwas fürchte. Der allerfurchtsamste Hypochondrist von der Welt Herr Heß schreibt dieses an seine Frau, die hier ist; es muß also wohl wahr sein.

Es ist gut, wenn man den Jenensern Zeit läßt, ihre Furcht vor den Franzosen los zu werden, ehe man ihnen die Comödie zeigt. Es giebt gar gewissenhafte Leute hier, die bey einer so großen öffentlichen Calamität ein Vergnügen für unschicklich halten.

Da wie ich höre das Mannheimer Theater auf ein Jahr suspendiert ist, so werden Sie Ifland wohl wieder in Weimar haben können. Es wäre zu wünschen, daß sich das Weim. Theater bey dieser Gelegenheit mit einer Schauspielerin recrutieren könnte. Mlle. Witthöft, oder wie sie jetzt heißt, würde wohl eine sehr gute Eroberung seyn.

Bey mir ist alles wohl auf, und der kleine gewöhnt sich nach und nach. Meine Frau grüßt Sie beßtens.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich, wenn Sie wieder hier sind, auch von den naturhistorischen Sachen wieder zu hören.

Sch.