Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 23. Juli [Sonnabend] 1796.

In diesen letzten Tagen habe ich mich nicht wohl genug gefühlt, um über etwas, was uns interessiert, zu reden; auch heute enthalt ich mich, denn der Kopf ist mir von einer schlaflosen Nacht zerstört.

Die politischen Dinge, denen ich so gern immer auswich, rücken einem doch nachgerade sehr zu Leibe. Die Franzosen sind in Stuttgardt, wohin die Kaiserlichen sich anfangs geworfen haben sollen, so daß jene die Stadt beschießen mußten. Ich kann das aber nicht glauben, da Stuttgardt kaum Mauern hat, und es keinem Menschen der bey Sinnen ist, einfallen kann, sich auch nur 3 Stunden darinn halten zu wollen. Von meiner Familie habe ich seit mehreren Wochen keine Nachricht; die gegenwärtig ist aus einem Briefe der kleinen Paulus. Der Zusammenhang zwischen Stuttgardt und Schorndorf war damals wie die Kleine schrieb gehemmt, und so sind also auch die Posten von daher abgeschnitten gewesen.

Hier in meinem Hause geht es noch ganz gut, nur daß aus dem Stillen meiner Frau nichts zu werden scheint, weil nichts mehr kommt.

Neulich erfuhr ich, daß Stolberg und wer sonst noch bey ihm war den Meister feierlich verbrannt habe, biß auf das VIte Buch, welches er wie Ahrnts Paradiesgärtlein rettete und besonders binden ließ. Er hält es in allem Ernste für eine Anempfehlung der Herrenhuterey, und hat sich sehr daran erbaut.

Von Baggesen spukt ein Epigramm auf meinen Musen Almanach, worinn die Epigramme übel wegkommen sollen. Die Pointe ist, daß „nachdem man erst idealische Figuren an dem Leser vorübergehen lassen, endlich ein venetianischer Nachttopf über ihn ausgeleert werde.“ – Das Urtheil wenigstens sieht einem begossenen Hunde sehr ähnlich. Ich empfehle Ihnen diese beyden Avis zu beßtem Gebrauche. Haben Sie die Güte mir, was Sie noch von Xenien haben, zu senden, weil es jetzt mit dem Drucke sehr ernst ist.

Mein voriger MusenAlmanach ist in Wien verboten; wir haben also in Rücksicht auf den neuen um so weniger zu schonen.

Folgendes Epigramm ist das neueste aus Berlin, wie Sie sehn werden.

Unger
über seine beiden Verlagsschriften:
„Wilhelm Meister“ u. das Journal „Deutschland“.

Der Lettern neuen Schnitt dem Leser zu empfehlen,
Mußt’ ich des Meisters Werk zur Ersten Probe wählen.
Die Zweyte ist, und dann ist alles abgethan,
Wenn selbst des Pfuschers Werk sie nicht verrufen kann.

Leben Sie recht wohl. Das abgeschriebene 8te Buch soll mich wieder aufs neue in Bewegung setzen. Über die Naturhistorischen Dinge mündlich. Herder hat zum Almanach mancherley geschickt; auch einiges wovon geschrieben steht:

facit indignatio versum
Qualemcunque potest.

Die Frau grüßt beßtens.

Sch.