Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, den 23. Mai [Montag] 96.

Laß Dir noch herzlich für das frohe Leben danken, das wir zusammen geführt. Wie ein Traum ist mirs vorüber gegangen; aber die Folgen sind glücklich und bleibend für mich. Ich habe nun Gelegenheit gehabt, uns beide nicht nur, sondern alles, was zu uns gehört als Ganzes zusammengestellt zu sehen, und die ruhige Harmonie, die es macht, giebt mir für künftige Pläne den besten Muth und die fröhlichsten Hoffnungen. Es ist meiner Frau und mir recht innig wohl mit Euch gewesen, und das ist genug, mich zu bestimmen, wie ich die Zukunft, insofern sie in meiner Gewalt ist, anzuwenden habe.

Mit meiner Gesundheit hat es sich seit Eurer Abreise nicht verschlimmert, vielmehr bin ich gestern an dem schönen Tag spazieren gegangen, und habe mich wohl darauf befunden. Meine Frau ist zwar nicht krank, aber die Schwangerschaft setzt ihr doch sehr zu. Wenn nur alles gut vorüber geht. Ich bin seit einiger Zeit in meiner Familie sehr unglücklich, und es kostete mir oft, Euch diesen Eindruck zu verbergen. Meine jüngste Schwester, ein Mädchen voll Hoffnung, von Talent, die auch hübsch war, ist vor 8 Wochen im 21. Jahre ihres Lebens gestorben1, meine zweite Schwester liegt auf den Tod, mein Vater ist bettlägerig an der Gicht, und meine Mutter – die schwächste in meiner ganzen Familie, die vor sieben, acht Jahren die heftigste langwierigste Krankheit nur durch eine wunderbare Krise überlebte – trug in diesen letzten Monaten die ganze Last das häuslichen Unglücks allein. Meine Eltern wohnen zwei Stunden von Stuttgart, und niemand als die Aerzte wollte sich in dieser Zeit dahin wagen; weil man sich vor Ansteckung fürchtet, da das kaiserliche Hauptspital auf der Solitude ist. Endlich habe ich meine Schwester, die in Meiningen verheirathet ist, in den Stand gesetzt, hinzureisen und die Unsrigen zu pflegen. Wäre das nicht gegangen, denn sie ist selbst nicht ganz gesund gewesen, so war es schon beschlossen, daß ich in der Mitte des Mai nach Schwaben reiste, um meine Familie von der Solitude wegzuschaffen, und Anstalten zu ihrer Pflege zu treffen. Meine Schwester von Meiningen schreibt mir nun, daß meine Mutter sich noch ganz gut halte, daß zur Besserung meiner zweiten Schwester noch Hoffnung sei, und daß es mit meinem Vater keine Gefahr habe.

Goethe habe ich während Eurer Abwesenheit nicht sehr oft gesehen. Er war einmal in Weimar, und da er wieder hier ist, macht er viele Excursionen auf das Land. Hero und Leander hat er noch nicht angefangen; aber noch etwas anderes von lustigem Inhalt als er neulich vor, das ich Euch schicken will, sobald ichs abgeschrieben erhalte2. Vom Meister habe ich das 7te Buch im Manuscript gelesen, und begreife nun, wie er im 8ten fertig werden kann und muß. Der Roman ist, was das innere Wesen und den eigentlichen Geist betrifft, schon mit diesem 7ten Buche aufgelöst, welches wieder vortrefflich ist. Ich schreibe Dir nichts davon, um Euch die Ueberraschung nicht zu verderben.

Goethe grüßt Euch freundlich, so wie wir alle. Hier der Vossius; wenn Du kannst, schicke mir ihn in einigen Wochen wieder; die andern Bücher denke ich nächstens abzuschicken, der Verschlag ist noch nicht fertig.

Dein

S.