Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm von Humboldt

Jena den 25. Januar [Montag] 96.

Ihr Eifer gegen die Schlegelische Recension hat mich sehr ergötzt l. Freund. Es ist gar keine Frage, daß Sie recht haben, auch habe ich Ihnen, soviel ich weiß, ausdrücklich geschrieben, daß ich nicht damit zufrieden sey. Ich habe nur weniger erwartet als Sie, und mich deßwegen auch leichter befriedigt. Schlegel ist viel zu sehr Coquette, als daß er dem Kitzel widerstehen könnte, sich hören zu lassen, wo er bloß bey dem Objekte bleiben sollte. Daß er die Elegie nicht beßer gefaßt hat, ist freilich kaum zu vergeben; die Schatten, zu welchen ein mehr speculativer Geist nöthig ist, wollte ich ihm noch hingehen lassen. Ueber die letztern werde ich ehester Tage selbst einige Worte sagen und besinne mich jetzt nur auf eine geschickte Veranlassung dazu. Die Sache läßt sich so rein objectiv behandeln, daß mich die Nothwendigkeit, über mein eigenes Produkt zu reden, nie in Verlegenheit setzen kann.

Sogar Woltmann, der kürzlich wieder bey mir war, hat gegen die Schlegelische Recension sehr viel richtige Einwendungen gemacht, die doch schlechterdings seinem eigenen Iudicium zugerechnet werden müssen, da hier gottlob niemand ist, von dem er sie geschöpft haben könnte. Zwar mag die Pique, die er auf Schlegeln hat, seinen Scharfsinn etwas verstärkt haben. Ich schrieb Ihnen kürzlich, daß Woltmann bey seinem letzten Besuch nichts über seine 2 Theaterstücke gesagt. Vorgestern war er 3 Stunden allein bey mir, und ich entließ ihn wieder, ohne seines Mscrpts mit einer Silbe zu erwähnen. Er war doch raisonnable genug, auch nicht von selbst davon anzufangen. Mir sagte er über meine Gedichte sehr viel schönes, aber er fand dennoch keine Barmherzigkeit. Sonst giengen wir sehr gut auseinander. Da er wegen eines Verlegers besorgt ist, so sagte ich ihm, ich hätte gehört, daß in dem neuen Journal Deutschland seiner sehr ehrenvoll gedacht sey, und daß es gut wäre, wenn er den guten Moment benutzte, Ungern zu seinem Verleger zu bekommen. Ich gönne dem armen Teufel ein gutes Honorar, und Unger verdient jener Recension d Horen wegen, daß er es mit seinen Helden einmal versucht.

Woltmann sagte mir, daß eine ganze saft- und kraftlose Recension des Reineke Fuchs jetzt für die Litt. Zeitung eingeschickt worden; eine so schlechte, daß sogar Hufeland auf Unterdrückung votiert habe Ich zweifle nicht, daß man Göthen und mir zu lieb sie wirklich unterdrücken wird, wenn ich eine andre verspreche. Aber so gern ich diese Arbeit übernähme, und so sehr es mich reuet, daß ich nicht schon in meinem Aufsatz über das Naive mich förmlich darüber herausgelassen habe, so wissen Sie doch, l. Freund, daß ich jetzt von meiner poetischen Activität mich nicht wohl zerstreuen kann. Ich gäbe daher sehr viel darum, wenn Sie an meiner statt diese Arbeit übernähmen; ich würde dann, da wir in unsern kritischen Grundsätzen so sehr harmonieren, die Recension, als die meinige in die Litt. Zeitg. geben. Wollten Sie dieses nicht, so könnte sie was noch besser wäre, zu einem Aufsatz für die Horen dienen. Da der Reineke Fuchs, wenn man gerecht seyn will, das beßte poetische Product ist, was seit sovielen vielen Jahren in Umlauf gekommen ist, und sich mit Recht an die ersten Dichterwerke anschließt, so ist es in der That horribel, daß er so schlecht behandelt werden soll. Göthe weiß von meiner Idee nichts, und ich werde ihm auch nicht eher etwas davon sagen, als wenn sie schon ganz ausgeführt ist; aber ich betrachte es als meine eigene Angelegenheit zu machen, daß man entweder eine andere Meinung davon bekomme, oder sich doch derjenigen schäme, die man davon hat.

Genug von dieser AnGelegenheit. Sie werden vielleicht wissen wollen, was ich jetzt treibe? Aber ich bin noch sehr unbestimmt und habe seit mehreren Wochen fast nur mit Phantasien gespielt. Es könnten wohl auch noch mehrere Wochen verlaufen, ehe ich mich wieder recht gefunden habe.

Der Almanach macht auch in Weimar viel Glück, und meine Sachen finden viel Eingang. Gekauft wird er hier zu Land auch sehr. Die Horen hat Wieland gar nicht lesen wollen. Er soll gesagt haben, daß Der nicht sein Freund sey, der ihn mit dem, was darinn gegen ihn gesagt sey, bekannt mache.

Leben Sie wohl, liebster Freund. Der guten Li wünschen wir von Herzen Besserung. Was sagt denn Herz von Ihrem Uebel? Adieu. Ihr

Sch.

N. S. Wenn es Sie nicht incommodiert lieber Freund, so bittet Göthe Sie um die Gefälligkeit ihm 6 Fäßgen guten Caviar von Berlin schicken zu lassen. adieu.