Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 24. Jenner [Sonntag] 96.

Für einen Schriftsteller, der mit der Catastrophe eines Romans, mit tausend Epigrammen und zwey weitläuftigen Erzählungen aus Italien und China beschäftigt ist, haben Sie diese nächsten 10 Tage ganz leidliche Zerstreuungen. Aber was Ihnen die Zeit nimmt giebt sie Ihnen dafür wieder an Stoff, und am Ende sind Sie weiter gekommen als ich, der seine Gegenstände aus den Nägeln saugen muß. Heute indessen habe ich auch eine Zerstreuung, denn Charlotte Kalb wird hier seyn.

Es thut mir leid, daß meine TapetenAngelegenheit Ihnen mehr als ein paar Worte kosten soll. Da Sie indessen so gütig seyn wollen, diese Verzierung an meinem Horizonte zu besorgen, so bitte ich Sie mir 4 Stücke von der grünen Tapete und 2 von RosaBordüren (wenn diese auch 40 Ellen halten) aus Frankfurth kommen zu lassen. Ich ziehe die RosaBordüren der Lebhaftigkeit wegen dem beyliegenden Muster vor.

Woltmann war gestern 3 Stunden lang allein bey mir, und ich habe es glücklich durchgesetzt, daß von den zwey Theaterstücken keine Silbe gesprochen wurde. Er war übrigens sehr artig, und sehr freygebig an Lob über Ihre und meine Arbeiten – ohne doch ein Fünkchen Barmherzigkeit bey mir, seines Stücks wegen, zu erwecken.

Leben Sie recht wohl. Hier wieder einige Xenien, daß die Observanz nicht verletzt wird.

Schiller.

[Adresse:]
                    an
Herrn Geheimenrath von Göthe
            Hochwohlgeb.
                                  in
fr.                                   Weimar.