Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer

Jena, den 14. September [Montag] 1795.

Ich konnte und wollte Ihnen, mein verehrter und vortrefflicher Freund, nicht eher für Ihre schönen Beiträge zu meinem Almanach danken, als bis ich Ihnen über das Schicksal dieses Almanachs etwas Bestimmtes sagen könnte. Durch einen sehr unglücklichen Zufall, der dem Verleger desselben vor einiger Zeit begegnet ist, wurde die Herausgabe für dieses Jahr zweifelhaft. Nachdem wir aber nunmehr ins Klare gekommen, so geht er, obgleich etwas spät, seinen Gang.

Ich sollte mit Ihnen schmälen, daß Sie so undankbar gegen Ihre eigene Muse sind, und den schönen Besuch, den sie Ihnen machte, nicht besser erkennen. Lassen Sie sich doch ja durch das elende Recensenten-Gesumse nicht irre machen; es sind so einige Büreaux in Deutschland, wo die Impotenz äußerst grimmige Urtheile fällt. Ihre poetischen Arbeiten können zwar, sowie Sie älter werden, von einer jugendlichen Farbe verlieren, aber Ihre Eigenthümlichkeit verläßt sie nie. Diese, das Gepräge des Genies, kann weder gegeben noch genommen werden, und dieses bezeichnet unverkennbar Ihre Werke, die mir in dieser Richtung von je her Achtung eingefläßt haben. Ihre Manier ist völlig die Ihrige, Keiner macht sie Ihnen nach, und sie verfehlt nie ihre bestimmte Wirkung auf die Leser. Ich habe erst kürzlich die Sammlung Ihrer neuen Gedichte zu Gesichte bekommen, worin ich treffliche Stücke fand. Unter den mir zugesandten Stücken hat mich die Versification in dem Weltgeist, übrigens ein sehr artiges Gedicht, etwas ungewiß gelassen, es wäre möglich, daß einige Worte fehlten; doch will ich diese Vermuthung für nichts weniger als eine Kritik ausgeben. Um ganz sicher zu seyn, haben Sie die Güte, dieses Stück bei Unger anzusehen.

Dieses führt mich auf eine Bitte, die Sie mir, da Sie selbst dabei interessirt sind, verzeihen werden. Ich wünschte, daß die Correctur des Almanachs mit größter Sorgfalt geschähe, und da es möglich ist, daß hie und da eine Stelle vorkäme, wo nur ein dichterisches Gefühl sich zurecht finden kann, so würde ein gewöhnlicher Corrector dabei in Verlegenheit kommen, oder gar verderben können. Ich wollte Sie daher ersuchen, sich nach Herrn von Humboldts Abreise, der die Sache jetzt in Händen hat, die letzten Correcturen zeigen zu lassen, udn in streitigen Fällen alsdann nach Ihrem Gefühle zu entscheiden.

Leben Sie recht wohl und schenken ein freundschaftliches Andenken

Ihrem ergebensten Schiller.