Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottlieb Voigt

Jena den 13 Sept. [Sonntag] 95. 

Den herzlichsten Dank für Ihr theures Andenken mein verehrter und vortreflicher Freund. Ich habe Ihnen lange kein LebensZeichen gegeben, aber meinem Herzen waren Sie gegenwärtig, und Ihrer gütigen Gesinnung für mich hielt ich mich da ich Sie kenne, für gewiß. Sie haben dieses mit dem lieben Herrgott gemein, zu dem ich auch nie bete, aber an deßen Gnade ich festiglich glaube. 

Mein altes körperliches Leiden setzt mir diesen Sommer sehr hartnäckig zu, und macht mich unterbrochen zum Gefangenen meines Zimmers. Aber gottlob, der Geist ist noch frisch, und der Muth auch. Ich habe mich seit einigen Monaten aus der metaphysischmephitischen Luft in den freyen und warmen Himmel der Poesie herausgerettet, der mir sehr wohl thut. Bald werden Sie Proben davon sehen, denen ich von Herzen Ihren Beyfall wünsche. 

Werden wir Sie mit Ihrer Frau Gemahlin nicht endlich einmal hier sehen? Gerne möchte ich Ihnen beyden einmal meinen Kleinen vorführen, der wohl ist, täglich mir größere Freude macht und morgen sein zweytes Jahr zurücklegt. Auch finden Sie uns in einer recht freundlichen Wohnung, die Ihnen gefallen wird. 

Wir beyde empfehlen uns ihrem u Ihrer Fr. Gemahlin freundschaftlichen Andenken aufs beßte. 

Verehrungsvoll der Ihrige 

Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 263. Z. 11. Sch. hat wohl schreiben wollen: ununterbrochen. Vgl. Nr. 908 u. 934.