Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an den Herzog Friedrich Christian von Augustenburg

Jena, den 9. Juni [Dienstag] 1795.

Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Fürst und Herr,

Wie sehr wünschte ich, daß die Horen, davon ich ew. Durchlaucht das fünfte Stück zu Füßen lege, Ihrer fernern Aufmerksamkeit nicht unwerth befunden werden möchten. An meinem Eifer das Gute zu sammeln, wo ich es nur irgend finde, fehlt es nicht, aber so reich Deutschland an Journalen und Schriftstellern ist, so arm ist es doch wieder an guten Autoren und an frischen gesunden Produkten des Genius und des philosophischen Geistes. Dieser Mangel ist mir, ich gestehe es, noch nie so bekannt gewesen, als seit Erscheinung meines Journals, an dem eine so große und nicht unwichtige Societät Antheil nimmt, und wo es dennoch so schwer hält, dem Publikum immer etwas Befriedigendes vorzulegen. Es gereicht zwar der Nation zum Ruhme, daß sie schwerer zu befriedigen ist, aber es wäre zu wünschen, daß die Geschicklichkeit der Schriftsteller diesen hohen Forderungen auch entsprechen möchte. 

An Fortsetzung meiner aesthetischen Briefe habe ich mich diese ganze Zeit über beschäftigt, soweit meine Gesundheit es verstattet, und das sechste Stück, das gegenwärtig unter der Presse ist, wird eilf neue Briefe enthalten. Dürfte ich hoffen, daß diese Unterhaltung Eurer Durchlaucht bey Ihrem gegenwärtigen Aufenthalt auf dem Lande einige Stunden erheitern könnte, so würde ich darin eine süße Belohnung finden.

Mit den Gesinnungen der tiefsten Devotion und Dankbarkeit ersterbe ich 

         Ew. Herzoglichen Durchlaucht 
                  unterthänigster 

F. Schiller.