Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottlob Voigt

Jena den 26. März [Donnerstag] 95.

Sie haben mich so sehr daran gewöhnt, mein verehrungswürdiger Freund, mich in dem was mein Schicksal betrifft Ihnen anzuvertrauen, daß ich auch jetzt in einer Verlegenheit, worin ich mich durch einen Antrag aus meinem Vaterlande gesetzt sehe, Ihren Rath und Beystand mir erbitten muß. 

Vor 6 Wochen wurde mir von der Universität Tübingen aus eine ordentliche Professur der philosophie mit einem zwar mäßigen, aber in der Folge zu verbeßernden Gehalt angetragen, weil man dort eben damit beschäftigt ist, nach Aufhebung der Militair-Academie, die Tübinger Universität in einigen Fächern zu verbessern. Ich wies diesen Antrag ab, mit der Erklärung, daß meine Gesundheits-Umstände mir nicht erlaubten, ein ordentliches Amt zu übernehmen. Da ich durch diese Erklärung alles für abgethan hielt, so schwieg ich von der ganzen Sache. Meine Neigung steht ganz und gar nicht nach Tübingen, und es ist mein völliger Ernst in Jena zu leben u. zu sterben. Wenn ich unserm Herzog auch nicht soviel schuldig wäre, als ich ihm wirklich schuldig bin, so möchte ich mir doch keinen beßern Herrn wünschen; und ebenso verhält es sich auch mit meinen Freunden und Bekannten, die mir an keinem Ort der Welt würden ersetzt werden.

Nun wird mir aber der vorige Antrag vor ein paar Tagen privatim erneuert mit dem Zusatz, daß man gar keine öffentliche function von mir erwarte, daß ich meine vollkommenste Freyheit haben solle, auf welche Art es mir gefiele auf die Studierenden zu wirken u. s. f. Dieser Ernst meiner Landsleute, mich bey sich zu haben, rührt mich, und zwar um so mehr, da die mir bestimmte Besoldung außerordentlich ist, und erst neu muß ausgesetzt werden. Nichts desto weniger kann ich mich nicht entschließen, Jena und meine hiesigen Verbindungen zu verlassen, und ich würde auch diesen neuen Antrag ebenso still wie den ersten von mir weisen, wenn nicht Eine Betrachtung mir Bedenken machte. 

Sie wissen, mein vortrefflicher Freund, daß ein Theil meiner Existenz von meiner schriftstellerischen Thätigkeit abhängt. So lange meine Gesundheit nicht schlimmer ist, als gegenwärtig, so hat es damit ganz und gar keine Noth; sollte aber einmal körperliches Unvermögen an dieser Activität mich hindern, so würden meine kleinen fixen Einnahmen nicht hinreichend seyn. Ich hoffe zwar, daß ein solcher Fall nicht zu fürchten ist, aber er ist doch möglich, und ich bin es meiner Frau und meinem Kind schuldig, es nicht darauf ankommen zu lassen. Diese Unbestimmtheit meiner Zukunft ist das einzige, was mich in Ansehung jenes Antrags zweifelhaft macht. Mein Entschluß würde aber vollkommen und für immer genommen seyn, wenn unser gnädigster Herr mir die Versicherung eben wollte, daß in dem äußersten Fall, wenn zunehmende Kränklichkeit an schriftstellerischen Arbeiten mich gänzlich verhindern sollten, und nur in diesem Falle, mein Gehalt mir verdoppelt werden sollte. Für jetzt verlange ich nichts, und ich hoffe es auch niemals zu bedürfen. Ja ich will auch auf diese Hülfe Verzicht thun, wenn mir in dieser Zeit, wie ich einige wahrscheinliche Hofnung habe, von andern Orten her eine Pension bezahlt werden sollte, die mir in Jena zu bleiben erlaubt. Würde mir durch eine solche Erklärung unsers gnädigsten Herrn Sicherheit für die Zukunft gegeben, so würde ich nicht nur den gegenwärtigen, sondern jeden künftigen Antrag abweisen, und auf immer in Jena bleiben. Dieß ist es, mein verehrungswürdigster Freund, was ich Ihnen anvertrauen wollte, und was ich Sie dem Herzog vorzutragen gehorsamst bitte. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ernstlich ich hier zu bleiben wünsche, auch meine Frau würde sich kaum losreißen können, und doch wüßte ich es nicht zu vermeiden, wenn mir nicht einige Sicherheit für künftige Fälle gegeben würde. Sagen Sie unserm gnädigsten Herrn, daß er zwar tausend brauchbarere Diener hat als mich, aber gewiß keinen dankbarern und keinen, der herzlicher an ihm hängt als ich. 

Ihnen, mein Verehrtester, dem ich schon so viele Verpflichtungen habe, brauche ich nicht erst zu versichern, wie unbegrenzt das Vertrauen ist, womit ich die Entscheidung meines Schicksals in Ihre Hände gebe. Erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort, weil man eine zeitige Erklärung in Stuttgardt von mir erwartet. Ihrer Frau Gemahlin die respektvollsten Empfehlungen von mir und meiner Frau. 

Ihr verbundenster Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 153. Z. 9. Nach Nr. 834 hatte Sch. Abels Brief heut, d. h. den 25. März erhalten und Sch. bemerkt: „ich schrieb an Voigt“. Der Brief an Voigt ist erst vom 26. März (vgl. Z.) und nach diesem hätte er Abels Brief schon ein paar Tage.
2 Zu S. 154. Z. 6. Sch. denkt wohl an eine Pension von Dalberg oder an die Verlängerung des Augustenburgisch-Schimmelmannschen Jahresgeschenks. 
3 Zu Z. 17. Der Herzog gewährte Schs. Wunsch. Vgl. Z. Des Herzogs Erklärung, die Voigt an Sch. übersandte, scheint nicht erhalten zu sein.