Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Christian Gottfried Schütz

Jena, 30. Sept. [Dienstag] 1794.

Gern, mein verehrter und lieber Freund, hätte ich Ihnen den Innhalt dieses Billetts mündlich eröfnet, aber das schlimme Wetter erlaubt mir nicht, auszugehen, und also will ich mich meines Anliegens schriftlich entledigen. 

Beiliegendes Blatt unterrichtet Sie von einer litterarischen Unternehmung, die schon seit 4 Monaten im Werke und jetzt ihrer Ausführung nahe ist. Wollen Sie derselben unter den angeführten Bedingungen beitreten, so werden Sie dadurch unsere ganze Societät, und mich insbesondere, höchlich verpflichten. Die Gesellschaft, welche sich zu diesem Werke vereinigt hat, besteht jetzt schon aus 20 Schriftstellern, davon die Mehresten keiner weitern Empfehlung als ihres bloßen Namens bedürfen. In Weimar sind Göthe und Herder, hier in Jena Hr. v. Humboldt, Fichte und Woltmann Mitarbeiter und Mitbeurtheiler. Ferner sind Engel aus Berlin, Genz, Garve, Friedr. Jacobi, Friedr. Schulz, Matthison, Schlegel, Professor Meier aus Weimar, Körner aus Dresden und Hr. Oberbergmeister von Humboldt, nebst noch drei anderen, die weniger bekannt sind, dazu getreten, und versprechen den thätigsten Antheil. Von Kant erwarte ich noch Antwort auf meine Einladung, und je nachdem die Umstände sind, wird das Personale noch mehr erweitert. Der Buchhändler, der das Werk unternimmt, ist thätig und zuverlässig, und wird dabei durch eine sehr ansehnliche Handels-Compagnie gedeckt. Sie sehen, daß alle Umstände sich vereinigen, ein Werk durchzusetzen, das, wie ich hoffe, nicht zu den gewöhnlichen gehört. 

Um nun zugleich auch von Außen nichts zu unterlassen, was eine Schrift dieser Art in lebhaften Umlauf bringen kann, so wünschten wir, daß jedes Monathstück so bald es erscheint, und so vortheilhaft als mit einer strengen Gerechtigkeit bestehen kann, in der A. L. Z. angezeigt würde. Da bei einer solchen gemeinschaftlichen Unternehmung jedem einzelnen daran liegen muß, daß das Ganze seine gehörige Würdigung erhalte, so müssen Alle für Einen stehen, und Jeder, wie ruhig er auch sonst der Aufnahme seiner Produkte zusehen mag, ist nun lebhaft interessirt, daß allen Uebrigen ihr Recht widerfahre. 

So wichtig nun eine zeitige, gründliche und ausführliche Recension der einzelnen Stücke für die Ausbreitung des Journals werden kann, so nothwendig ist es, daß die Interessenten desselben gemeinschaftliche Sache machen, solche zu erhalten. Nun dürfte es aber, wegen Mannichfaltigkeit der Materien, die in den Horen zur Sprache kommen werden, nicht so leicht seyn, immer einen Recensenten für die Lit. Zeit. zu finden, der den Erwartungen unserer Gesellschaft entspricht, besonders da mehrere Mitarbeiter an derselben, und vielleicht nicht die unwichtigern, bereits auch an den Horen arbeiten. Ich gebe Ihnen also zu bedenken, lieber Freund, ob es für uns beide nicht vortheilhaft seyn dürfte, wenn Sie die einzelnen Monathstücke unseres Journals durch Mitglieder unserer Societät recensieren ließen. Es verstünde sich von selbst, daß der Recensent eines Stücks an diesem Stücke nicht mitgearbeitet haben dürfte, und daß überhaupt eine anständige Gerechtigkeit beobachtet würde. Auf diese Weise, däucht mir, würden unangenehme Collisionen zwischen Ihrer Societät und der unsrigen am besten vermieden, und der Grund zu einem wechselseitigen guten vernehmen gelegt, bei dem unsere beiden Entreprisen in jeder Rücksicht gewinnen müßten. Ich brauche Sie nicht darauf aufmerksam zu machen, wie viel Gutes man in der Welt durch Vereinigung ausrichtet, und wie mißlich es auch für litterarische Gemeinden ist, sich gegen einander im Naturstande zu befinden, der, wie Sie wissen, ein bellum omnium contra omnes ist. 

Denken Sie meinem Vorschlage nach und lassen mich bald Ihre Entschließung wissen. Zugleich frage ich bei Ihnen an, ob Sie es wohl zufrieden sind, daß ich einen Garten-Calender recensiere, der kürzlich in Schwaben erschienen ist, und der mir Gelegenheit giebt, mein Glaubensbekenntniß über die deutschen Parks und dergl. abzulegen. 

Die Horen begrüßen Sie, und geben Ihnen zu überlegen, daß man in der Welt nichts Besseres thun kann, als sich, soweit es angeht, gute Stunden zu machen. Ganz der Ihrige u. s. w.


Bemerkungen

1 Zum Inhalt des Briefes ist zu bemerken, daß bei einem Besuch, den Schütz noch am 1. Okt. Schiller machte, dieser ihn wirklich zur Annahme seines eigennützigen Vorschlags, die Rezensionen der Horen in der A. L. Z. von Mitarbeitern arbeiten zu lassen, überredete. Freilich hatte die Einrichtung nicht langen Bestand. Vgl. Nr. 830.
2 Zu S. 27. Z. 13. Schs. Rezension des Gartenkalenders in Cottas Verlag erschien am 11. Okt. in der Litteratur-Zeitung. Vgl. Gödeke. S. S. X. 257. Schs. Freund, der Kaufmann Gottlob Heinrich Rapp in Stuttgart, der Schwager des Bildhauers Dannecker, hatte in diesem Kalender mehrere Aufsätze veröffentlicht. Vgl. über ihn die Allgem. Deutsche Biogr.