Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Charlotte Schiller

Weimar 16 Sept. [Dienstag] 94. 

Seit 3 Tagen bin ich hier, und nun schon ziemlich bey G. eingewohnt. Ich habe alle Bequemlichkeiten, die man außer seinem Hause erwarten kann und wohne in einer Reyhe von 3 Zimmern, vorn hinaus. Diese meiste Zeit aber bin ich fast immer mit G. zusammen gewesen, doch ohne den ganzen Genuß dieses Umgangs, weil ich mich selten wohl befand. Die Nächte waren viel beßer und ich schlief bald ein, aber meine Krämpfe incommodierten mich den Tag über so sehr, daß ich nicht einmal die Stein besuchen konnte, ob ich gleich heute Nachmittag schon auf dem Wege war, und ihr Haus erreicht hatte. Sie war aber bey ihrer Mutter, wohin ich auch invitiert war, und dorthin konnte ich mich nicht mehr tragen, mußte also in ihrem Hause eine Viertelstunde anhalten, um mich zu erhohlen und dann wieder nach Hause gehen. Sage ihr doch dieses, und entschuldige mich.

Ich habe bey G. schon schöne Landschaften gesehen. Wir haben viel über Sachen gesprochen, auch von seinen Arbeiten in der Naturgeschichte und optik hat er mir viel intereßantes erzählt. Doch alle diese Sachen, die für Briefe zu weitläuftig wären, will ich aufsparen, biß wir uns sehen. Gesehen habe ich hier noch niemand, doch bin ich heute Vormittag mit G. im Stern spazieren gewesen. In seinem Hause sahe ich noch niemand als ihn. 

Ich habe auch nach beßerer Ueberlegung gefunden, daß es beßer ist, wenn Du nicht hieherkommst. Da die Stein nicht hier ist und es schwer halten würde in Göthens Nachbarschaft gleich ein Logis zu finden, so würde für uns beide nicht viel dadurch gewonnen. Beßer also, Du bleibst noch 14 oder 18 Tage in R. biß die Blattern vorbey sind. Es ist überhaupt möglich, daß sie gar nicht ausbrechen, denn Bill schreibt mir, daß die zweyte Wunde auch schon wieder heile. Auf den Sonnabend muß es sich entscheiden. 

Ich sehne mich doch herzlich nach euch ihr lieben und nach dem ruhigen Zusammenleben mit euch. Es wird mir nach der langen Trennung desto willkommner seyn. Lebe wohl mein liebes und küße den Goldsohn tausendmal. Der Chere Mere meinen herzlichen Gruß. 

Sch.