Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich Cotta

Jena den 1. Sept. [Montag] 94. 

Die Bücher habe ich richtig erhalten und danke Ihnen für gütige Besorgung. Können Sie es möglich machen, mir die französischen etwa noch in diesem Monat zu liefern, so verbinden Sie mich sehr. Mir ist es gleich viel, sie mögen alt oder neu seyn. 

Ihr Vorschlag, den Druck der Horen in Tübingen zu besorgen, wird gar keine Schwürigkeit haben, und in mehr als einem Betracht ist es besser, wenn dieses ganze Geschäft unmittelbar durch Ihre Hände gehen kann. Wir Autoren können uns mit solchen Sachen nie recht befassen, weil wir es nicht verstehen, und einen dritten Mann zu finden, der ebenso ehrlich als habil dazu gewesen wäre, würde schwer gehalten haben. Ich übersende Ihnen also das Manuskript für ein ganzes Monathsstück immer auf einmal, und Sie sorgen dann dafür, daß in jedem Monat 8 Bogen zu rechter Zeit gedruckt werden. 

Ehe wir aber in diese Unternehmung ernstlich hineingehen, so überlegen Sie noch einmal genau, was Sie dabey zu wagen und zu hoffen haben. Von unsrer Seite ist nun gar keine Schwierigkeit mehr, und schon jetzt ist eine Societät von Schriftstellern beysammen, wie noch kein Journal (ich darf es wohl sagen) aufzuweisen gehabt hat. Göthe, Herder, Garve, Engel, Fichte, Fridrich Jacobi, Matthison, Woltmann, Genz aus Berlin und noch 4 biß 5 andere, deren Nahmen das Publicum zwar noch nicht kennt, aber die in der litterarischen Welt noch eine Rolle spielen werden, sind, außer mir, Theilnehmer an diesem Werk. Was von solchen Schriftstellern nur irgend geleistet werden kann wird geleistet werden, und noch 8 biß 10 andere stehen auf unsrer Liste, die wir eintreten lassen werden, sobald gegen alle Erwartung Mangel an vortreflichen Aufsätzen von den genannten Mitarbeitern zu befürchten seyn sollte. Auch dürfen Sie auf die möglichste Bekanntmachung dieses Journals sicher rechnen; denn nicht nur in der Allg. L. Zeitung sondern in allen öffentlichen gelehrten Blättern soll es von Monath zu Monath angezeigt, und wo es angeht, ausführlich beurtheilt erscheinen, so daß von einem Ende Deutschlands zum andern das Publikum davon unterhalten werden soll. 

Dieß ist die lachende Seite der Unternehmung; die bedenkliche ist der große Aufwand, auf den Sie Sich gefaßt machen müssen. Hundert Bogen etwa enthält ein Jahrgang. Jeder Bogen kostet im Durchschnitt (denn die Contracte sind ungleich) 5 alte Ldor Honorar; also 500. Dazu kommen noch 60 für den Redacteur; also 560 Ldors bloß für die Autoren. Höher als 3 Laubthaler werden Sie das einzelne Exemplar nicht anschlagen dürfen; davon geht noch der Rabatt ab. Also ist zu vermuthen daß sie erst mit dem 13ten Hundert Ihre Auslage heraus haben werden. Freilich ist ein Absatz von 2000 Exemplar bey einem solchen Werke eine Kleinigkeit, aber Sie müssen doch auch den allerunwahrscheinlichsten Fall in Betrachtung ziehen. Ueberlegen Sie nun alles wohl, und nehmen Sie auf uns gar keine Rücksicht; denn da wir einmahl zusammen getreten sind, da alle Umstände sich so günstig anlassen, so wird das Journal auf jeden Fall durchgesetzt, selbst wenn Sie zurücktreten sollten. Wenn Sie aber über den Rubicon gegangen sind, und sich ernstlich dafür entschieden haben, so erwarten Sie von unsrer Seite allen Menschenmöglichen Eifer, aber auch Sie müssen ihrer Seits keine Zeit, keine Industrie, keine Thätigkeit sparen, denn die Zerstreuung eines Buchs durch die Welt ist fast ein ebenso schwieriges und wichtiges Werk, als die Verfertigung desselben. 

Sobald Sie mir schreiben, daß Sie entschlossen sind, wozu Sie Sich 8 biß 12 Tage Bedenkzeit nehmen mögen, so wollen wir dann den Contract aufsetzen, Schrift, Papier, Format und was sonst nöthig ist bestimmen, und zum ersten Monathstück Anstalt machen. Göthe ist voll Eifer, er wird uns alles geben, was er vorräthig hat, und er hat schon erklärt, daß das Journal ihn in neue Thätigkeit setzen werde. Wahrscheinlich wird gleich das erste Stück etwas von ihm und auch von Herder enthalten. Von Kant erwarte ich noch Antwort. Er ist nicht der fleißigste Briefschreiber, aber etwas liefert er gewiß zu den Horen.

Für die Flora erhalten Sie gewiß etwas von mir, aber biß jetzt hatte ich noch damit zu thun, die 2 letzten Stücke der Thalia zu besorgen, weil diese nun doch ordentlich geschlossen werden mußte. 

Fichte hat seine Lehrbücher einer hiesigen Buchhandlung versprochen, und außer diesen Lehrbüchern und dem, was er für die Horen schreibt, ist jetzt nichts von ihm zu erwarten. 

Schreiben Sie mir doch, ob es noch Zeit ist, wenn ich Ihnen zwischen heut und dem 1ten Oktober einen kleinen Aufsatz für ihren GartenCalender schicke. Wenn es damit zu spät ist, so will ich etwas dafür für die Flora aufsetzen. Leben Sie wohl. 

Sch.


Bemerkungen

Empfangs- und Beantwortungsverm.:
8 Sept.
15 Sept.

1 S. 5. Z. 17. Das Wort „wird“ durch das Siegel zerstört, könnte auch „will“ heißen.
2 Zu Z. 3. Z. 21. Vgl. Nr. 727. 
3 Zu Z. 26. Lottes Brief, in dem der Vorschlag stand, fehlt.
4 Zu S. 4. Z. 31. Ein Laubthaler hatte etwa den Wert von 4,75 Mark.
5 Zu S. 5. Z. 17. Vgl. Goethe an Sch. am 27. Aug. 1794. 
6 Zu Z. 20. Das erste Stück enthielt von Goethe seine erste Epistel. Herders erster Beitrag: „Das eigene Schicksal“ kam erst in das dritte Stück. 
7 Zu Z. 21. Vgl. zu Nr. 719. Kant lieferte keinen Beitrag zu den Horen. 
8 Zu Z. 32. Der Gartenkalender war bereits fertig. Schiller lieferte eine Besprechung in der Allgemeinen Litteratur-Zeitung vom 11. Okt. 1794.