Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Prinz Friedrich Christian von Augustenburg

Jena den 10. Jun. [Dienstag] 1794.

               Durchlauchtigster Prinz! 

Das gnädige Schreiben Euer Durchlaucht an mich vom vierten April d. J. welches an den Rath Reinhold beygeschlossen war, ist wegen der früher erfolgten Abreise des letztern aus diesen Gegenden nach Kiel zurück, und von da erst aufs neue hierher gelaufen, wo es mir vor einigen Tagen in die Hände kam. Dieß allein ist Ursache, gnädigster Prinz, daß ich den Innhalt desselben erst heute beantworten kann. 

Ew. Durchlaucht erwähnen darin eines Schreibens an mich, das bis jetzt noch unbeantwortet sey. Dieß beunruhigt mich sehr, da ich von keinem neuern Brief Ew. Durchlaucht an mich weiß, als der mir im August des vorigen Jahres nach Schwaben ist nachgeschickt worden. Daß aber dieser Brief nicht unbeantwortet geblieben, dieses bezeigt eine Copie des meinigen die ich zurückbehalten habe, und eine Anzahl von sechs andern Briefen, die ich in dem verflossenen Winter von Ludwigsburg aus an e. Durchlaucht abgehen ließ, und welche die Fortsetzung meiner Betrachtungen über das Schöne und Erhabene enthalten. Entweder müßten also meine Briefe, oder das Schreiben von Ew. Durchlaucht an mich verloren gegangen seyn. Der erste Verlust ist nicht sehr bedeutend, besonders da ich alle meine Briefe aus Abschriften wieder herstellen kann; aber jede Zeile, die von der Hand Ew. Durchlaucht an mich verloren geht, ist ein Verlust, den nichts mir zu ersetzen im Stand ist. 

Die Nachricht von dem unglücklichen Brande in Kopenhagen, der die königliche Burg in die Asche legte, war sehr erschütternd für mich, und mußte es um so mehr seyn, da ich mir wohl vorstellen konnte, daß dieses Unglück auch Eure Durchlaucht sehr nahe mit betreffen mußte. Bey dem weisen und großmüthigen Gebrauche, den Sie von Ihrem Eigenthum zu machen pflegen, ist jeder Verlust, den Sie erleiden, ein Unglück für Tausende. Daß aber dieses physische Uebel so viele moralisch gute Folgen nach sich zog, muß jeden Freund Dänemarks und überhaupt jeden Weltbürger wieder mit den Beschlüssen der Vorsehung versöhnen; denn die Liebe eines guten Volks zu seinen Regenten, die bey dieser Gelegenheit sich so glänzend entdeckte, ist ein unendlich größeres Gut, als alles, was ein Raub der Flammen werden konnte. Dieser schöne Zug der Bürger Dänemarks, und die Bemerkung Ew. Durchlaucht darüber interessierten mich so sehr, daß ich mir die Erlaubniß von Ihnen ausbitten möchte, einen öffentlichen Gebrauch davon machen zu dürfen, weil es einen lehrreichen Wink für alle Regierungen enthält, und der Dänischen besonders ein sehr schönes Denkmal setzt. 

Das Verlangen Ew. Durchlaucht, meine verloren gegangene Briefe wieder zu besitzen, ist unendlich schmeichelhaft für mich, und ich werde keine Zeit verlieren, es zu erfüllen. Wie gern wollte ich, wenn meine Lage es erlaubte, meiner ganzen schriftstellerischen Thätigkeit entsagen, um mich dem angenehmen Geschäfte, Ihnen meine Gedanken mittzutheilen, ganz und ohne Einschränkung widmen zu können. Alles was ich erforsche oder bilde, sollt ein einen Brief an Ew. Durchlaucht eingekleidet seyn, und in Ihrer für Wahrheit und Schönheit so empfänglichen Seele würde ich mit Freuden jede Gestalt meines Geistes und jede Empfindung meines Herzens niederlegen: ein Glück, um welches ich Baggesen oft und vielmals beneidet habe. 

Mit den Gesinnungen der reinsten Verehrung und Devotion ersterbe ich 

                                             Ew. Durchlaucht 
                                                                  unterthänigster 

Fr. Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 449. Z. 16. Reinhold hatte am 29. März 1794 Jena verlassen. Vgl. Aus Jens Baggesens Brfw. m. Reinhold u. Jacobi I. S. 341. 
2 Zu Z. 21. Ein Brief des Herzogs scheint also den Dichter nicht erreicht zu haben. 
3 Z. 26. Von den hier erwähnten 7 Briefen Schillers an den Prinzen von Augustenburg hat Michelsen 3½, oder wenn man den Einschluß des ersten (Michelsen Nr. III.) extra zählt, 4 ½ in Abschriften wieder aufgefunden.
4 Zu S. 450. Z. 6. Am 26. Febr. 1794 war das dänische Königsschloß Christiansburg abgebrannt und in ihm auch die Bücher und Briefschaften des Prinzen v. Augustenburg. Von der Liebe der Dänen gegen das Königshaus näheres in X.