Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm und Christophine Reinwald

Ludwigsburg den 16. Sept. [Montag] 93.

Liebster Bruder und Schwester, 

Mit frohem Herzen gebe ich euch die Nachricht, daß meine Lotte mir vorgestern am 14. September einen Sohn geschenkt hat, der frisch und stark ist, und sich mit seiner Mutter, bey vollkommener Gesundheit befindet. Ich weiß, daß ihr diese Freude ganz mit mir theilen werdet. Alles gieng glücklich ab, aber die Niederkunft überraschte uns so früh, daß wir kaum mit den nothwendigsten häußlichen Einrichtungen fertig waren. Der Mangel an aller häußlichen Bequemlichkeit und besonders an einer geräumigen Wohnung hat uns genöthigt, Heilbronn mit Ludwigsburg zu vertauschen, wo wir wohlfeil und angenehm wohnen. Freilich ist alles übrige unmäßig theuer in ganz Schwaben, und ihr könnt euch gratulieren, daß eure Hieherreise in kein so hartes Jahr gefallen ist. Wahrscheinlich werden wir den ganzen Winter hier zubringen, wenn der Herzog, wie ich doch gar nicht besorge, uns nicht in unsrer Ruhe stören sollte. Er hat dem Papa, als ich noch in Heilbronn war erlaubt, mich dort etlichemal zu besuchen. Ich notificierte ihm auch, daß ich nach Ludw. ziehen würde. Er war aber auf einer Reise an den Rhein abwesend und ist erst seit einigen Tagen wieder zurückgekehrt. Wie man mir sagt, so will er mich ganz ignoriren. 

Hoffentlich lieber Bruder bißt Du nunmehr wieder von deinem Anfall hergestellt; laße bald etwas von dir hören. Unsre lieben Eltern sind wohl, nur leidet der gute Papa oft an Gliederreißen, wogegen er das Kanstatterbad noch eine Zeitlang zu brauchen denkt. Mama und Nane waren bey der Niederkunft und sind noch da. Louise war bey uns in Heilbronn und führte da die Wirthschaft. Alles grüßt herzlich 

               Euer treuer Bruder 

FSchiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 355. Z. 8. Reinwalds waren 1789 in Schwaben gewesen. 
2 Zu Z. 13. Der Brief an den Herzog ist nicht erhalten. Auch im Frühjahr 1793 scheint Sch. schon mehrmals an den Herzog geschrieben zu haben. Vgl. Schs. Beziehungen S. 164.