Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Charlotte v. Kalb

Jena den 29. Jul. [Montag] 93. 

Gerne, meine vortrefliche Freundinn, möchte ich Ihnen heute ausführlicher schreiben, aber meine nahe Abreise, die auf den Donnerstag festgesetzt ist, giebt mir so vielerley zu thun, daß ich kaum zur Besinnung komme. 

Ich gebe mit Adlerskorn noch nicht alle Hofnung auf, denn die HauptEinwendung Ihres Mannes gegen ihn, daß ihn sein Stand Ihnen gleich setzen und also nicht frey genug auf ihn zu wirken seyn möchte, wird sich heben lassen. 

Er wird Rath und Führung annehmen, und ich zähle hier mehr auf die unfreiwillige Deszendenz (die von keinem Standesverhältniß abhängt) als auf die freiwillige. Mir scheinen die erheblichen Vortheile, welche grade sein Stand für sein Erziehungsgeschäft und auch für sein gesellschaftliches Verhältniß zu Ihnen haben wird, alle jene Inconvenienzen aufzuwägen. Wenn Ihnen also der junge Mann nur sonst gefällt, und meine vorläufige Schilderung rechtfertigt! Ich habe ihm deßwegen mit der heutigen Post gemeldet, „daß es gut gut gethan seyn würde, wenn er sich nach Waltershausen auf machte, und sich als Gast und Bekannter von mir bey Ihnen einführte. Den Aufwand den etwa dieser Besuch ihm verursachen dürfte, würden Sie ihm dadurch hinlänglich ersetzen, daß Sie ihn (im Fall er Ihnen als Hofmeister nicht anstände) als Freund vom Hause behandelten, und ihn einige Wochen bey sich behielten, in welcher Zeit er dann seine Maaßregeln nehmen könnte. 

Wenn er übrigens Ihren Absichten auch nur im Ganzen genommen zusagt, so wollte ich Ihnen doch rathen zuzugreifen, weil ich befürchte, daß wir keine große Wahl haben werden. Doch läßt sich in Schwaben vielleicht ein Subjekt aus [– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –] in 12 Tagen gewiß eintreffen werde. Ihren ersten Brief werden Sie so gütig seyn bey H D. Gmelin abgeben zu lassen. Nachher ist dies nicht mehr nöthig.

Ich nehme also für diese Gegend auf acht Monate von Ihnen Abschied. Seyn Sie versichert, daß ich, ich mag seyn wo ich will, alles was Sie und die Ihrigen betrift in einem getreuen und dankbaren Herzen trage. [– – – –]  


Bemerkungen

(Die Unterschrift und damit einige Zeilen auf der Seite vorher sind im Original abgeschnitten.)
Nach dem Abdruck habe ich noch selbst H. vergleichen dürfen. S. 348 Z. 19. Das Komma nach Abreise ist zu streichen. Z. 27. Ich lese Dependenz. S. 349 Z. 4. Deßweg. Z. 5. es gut gethan. Z. 7. Anführungsstriche nach „einführte“.
1 Zu S. 348. Z. 23. Schiller hatte den Livländer Gustav Behagel von Adlerskron, der russischer Rittmeister gewesen und dann in Jena und Stuttgart studiert hatte und mit Schillers in nahen Beziehungen geblieben war, als Hauslehrer für Fritz von Kalb empfohlen. Die Sache scheiterte daran, daß Hr. von Kalb bestimmt erklärte, keinen adelichen Hauslehrer haben zu wollen. Über Adlerskron, seine Verhältnisse zu Schiller, sein späteres Bekanntwerden mit Frau v. Kalb vgl. Speidel u. Wittmann, Bilder aus der Schillerzeit S. 295. ff. und Urlichs, Charl. v. Schiller III. 75. ff.