Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

(Den 22. abgeschickt.) 

Jena, den 17. Juli [Mittwoch] 1793.

Es ist also mit unsrer Zusammenkunft vorbei. Ich will mich um der Ursache willen, die sie von meiner Seite rückgängig macht, in diese fehlgeschlagene Hoffnung finden. Gegen die Gründe, die Du anführst, ist nichts einzuwenden. In Deiner Stelle würde ich auch nicht anders handeln. Du hast recht: wir wollen einander nicht weich machen; denn in einem Jahre, wo nicht früher, sehen wir uns doch gewiß wieder. Ich habe zu meiner Gesundheit ein weit besseres Vertrauen, als ich seit langer Zeit nicht hatte, und die Umstände meiner Frau werden mir jetzt auch erträglicher, weil ich von ihrer Schwangerschaft eine gute Krise aller bisherigen Krämpfe erwarte. 

Die schönen Aussichten, die ich vor mir habe, erhellen mir das Herz. Ich werde zugleich die Freuden des Sohnes und des Vaters genießen, und es wird mir zwischen diesen beiden Empfindungen der Natur innig wohl seyn. Meine Abreise wird wahrscheinlich nunmehr früher vor sich gehen, vielleicht gleich mit Anfang August; denn je näher an der Zeit der Entbindung, desto leichter können eintretende Krämpfe üble Folgen haben. 

Die Liebe zum Vaterland ist sehr lebhaft in mir geworden, und der Schwabe, den ich ganz abgelegt zu haben glaubte, regt sich mächtig. Ich bin aber auch eilf Jahre davon getrennt gewesen, und Thüringen ist das Land nicht, worin man Schwaben vergessen kann. Den Herzog von Würtemberg sehe ich schwerlich, denn mein Aufenthalt ist in Heilbronn, und Stuttgart werde ich nicht besuchen. Ich habe schon meine Wohnung dort ausgemacht, und man hat mir vorläufig von dorther schon viele Höflichkeit versichert. Auf Gmelins Bekanntschaft und magnetische Geschicklichkeit bin ich sehr neugierig. Er schreibt mir, daß er mit großen magnetischen Curen sich nicht mehr abgebe, aber daß seine Ueberzeugung von der Wirksamkeit dieses Mittels nicht vermindert sei. Ich werde Dir ausführlich Bericht abstatten, wie ich es gefunden habe. 

Die Kalb hat wieder angefangen sich zu regen. Sie hat mich gebeten, ihrem Sohn einen Hofmeister ausfindig zu machen, und ich übernahm diesen Auftrag mit um so größerer Bereitwilligkeit, je wichtiger es mir ist, ihr zu zeigen, daß sie in jeder schicklichen und gerechten Sache auf mich rechnen kann. Kaum erklärte ich ihr meine Bereitwilligkeit dazu, so bin ich auch sogleich mit Brief über Brief belagert und erhalte eine schöne Versicherung nach der andern. Nach Dir erkundigt sie sich fleißig, und ich sehe wenigstens daraus, daß ihr Deine gute Meinung sehr wichtig ist. Ihr Kopf scheint mir noch nicht ganz geheilt, und angespannt ist sie mehr als je, aber die Oberfläche ist ruhiger, und ihre Ansprüche haben ihren Gegenstand verändert. 

Hast Du Maimons Streifereien ins Gebiet der Philosophie gelesen? Du wirst viel Vortreffliches darin finden. 

Lebe wohl und grüße M. und D. bestens von uns beiden. Meine Frau wird nächstens schreiben, wenn es ruhiger um uns ist, denn dieser Tage sind wir nicht viel zu uns selbst gekommen. 

               Dein 

S.


Bemerkungen

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1 Zu S. 344. Z. 30. Über Schillers Interesse am tierischen Magnetismus vgl. zu Nr. 623. Über Eberhard Gmelin vgl. die kurze Notiz in der Allg. Deutsch. Biogr. Ein Brief Gmelins an Schiller aus dem Jahre 1793 wurde ausgeboten im Börnerschen Auktionskatalog Nr. XLII. Vom 9./12. 1886.
2 Zu S. 344. Z. 28. Zu der Wohnungssache vgl. Schs. Beziehungen S. 116. In der freien Reichsstadt Heilbronn war Schiller einstweilen vor dem Herzog sicher.
3 Zu S. 345. Z. 4. Vgl. zu Nr. 657. Einige der weiteren Briefe der Frau v. Kalb siehe Speidel und Wittmann, Bilder aus der Schillerzeit S. 284 ff. 
4 Zu Z. 16. Über den jüdischen Philosophen Maimon vgl. seine von Moritz herausgegebene Selbstbiographie, 2 Theile. Berlin, Vieweg 1792/1793. Die hier erwähnte Schrift, Erster Theil, erschien 1793 auch bei Vieweg, Berlin. Die Schrift ist gegen Reinhold gerichtet. Ein zweiter Teil scheint nicht erschienen zu sein.