Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena den 15. März [Freitag] 93. 

Ich hatte wieder eine Zeitlang Anfälle meines Uebels und bin jetzt noch gar nicht recht im Stande; der Frühling bringt wieder alles bei mir in Bewegung. Erwarte deswegen heute nichts ausführliches von mir. Huber war 2 Tage hier und hat bei Schütz logirt. Ich habe ihn wenige Zeit allein sprechen können. Seiner Aeußerung nach ist der Schritt, seine Entlassung betreffend, eine geschehene Sache die sich nicht ändern läßt und die er für Uebereilung erkennt. Nimmt man ihn beym Wort, so wird er in der Schweitz seinen Sitz aufschlagen, und von einer politischen Zeitschrift, die französischen Angelegenheiten betreffend, leben, worüber er eben jetzt mit Voss in Berlin unterhandelt. Sein Vater, sagt er, könne das Geschehene zwar noch nicht recht verschmerzen, er ergebe sich aber darein, und spreche schon davon, auch seine Mutter dazu zu vermögen. Er will, nachdem er sich in Dresden gezeigt hat, sechs Wochen im väterlichen Hause noch zubringen u: sich dann auf die Reise machen. Über seine Verbindung mit der F. ist sein Entschluß gefaßt. Forster selbst ist der einzige, der bei dieser Sache noch etwas gewinnt. In seinen jetzigen Umständen, wo er alles auf das Spiel setzen muß, kommt es ihm sehr zu statten, daß er für keine Frau zu sorgen hat. Die Kinder werden getheilt, und eins behält der Vater, das andre die Mutter. 

Du hast keinen Besuch von ihm zu fürchten. Er hat es begriffen, daß er Dich nicht sehen kann. Aber nach Dresden muß er, wie er sagt; der Graf Görz hat ihm in Frankfurt einen Brief gebracht, worin ihm angedeutet wurde, dem Grafen das Archiv zu übergeben und sich in Dresden zu stellen. Auf diese Andeutung, die von mehreren Winken über seine verdächtigen Grundsätze begleitet war, hat er eben jenen Brief geschrieben, worin er um seine Entlassung bittet. Mehrere Monate vorher schon soll ihn Lucchesini1 aus Frankfurt haben entfernen wollen, welches er nach Hofe berichtete. Man ließ ihn viele Wochen ohne Antwort, biß endlich Graf Görz mit jenem Auftrag an ihn geschickt wurde. 

Wie tief er sich eigentlich eingelassen, weiß ich nicht; mir versichert er, er habe keine Ursache zum Verdacht gegeben, aber da der Verdacht doch da sey, so habe er es für unmöglich gehalten, länger in seinem Posten zu bleiben. 

Graf Redern hat ihn in Weimar gesprochen und ihm seine Übereilung vorgestellt. Er hat aber weiter nichts ausgerichtet, als das er jezt zwar einsieht zu rasch gehandelt zu haben, aber den Schritt nicht mehr zurück thun kann. 

Ueber D. hat er kein Wort verloren, und ich auch nicht. Weil ich in der kurzen Zeit, wo ich ihn allein hatte, den Auftrag wegen d. Briefe anzubringen vergaß, und ihn nachher nicht mehr zu sehen kriegte, so habe ich es ihm geschrieben2, und zugleich dafür gesorgt, daß ihm der Brief eigenhändig zugestellt wird. 

Ich denke, Du solltest und könntest ihn jetzt vergessen. Dir selbst hast Du darüber, daß Du ihn besser beurtheiltest, als er verdiente, keine Vorwürfe zu machen. Der Irrthum war sehr verzeyhlich, und seine Folgen sollen, wie ich hoffe, nicht so schlimm seyn, als Deine jetzige leidenschaftliche Stimmung Dich fürchten läßt. D. weiß jetzt genug, um sich zu seinem Verlust Glück zu wünschen. Sie wird ihn vergessen, und Du wirst dazu beytragen, ihr dieses zu erleichtern. Von der Ankunft der Herzogin von Kurl. bei euch verspreche ich mir viel Gutes für D. Hörtest Du nichts mehr von Kunzen, und ob er Absichten hat? Es wäre gar schön, wenn die Herzoginn diese Verbindung zu Stande brächte.3

Deine 2 Briefe will ich über 14 Tage beantworten, weil ich diese u: die nächste Woche damit zu thun habe, meine Vorlesung zu schließen. Deine Einwürfe habe ich schon angefangen zu beantworten, aber ich brauche einige ganz freie Tage dazu, diese Materie ins Klare zu setzen. Dein letzter Brief enthält herrliche Ideen, aber auch davon werde ich noch ausführlich schreiben. Laß mich bald wieder von Dir und den Deinigen hören, und besonders, daß Du heiterer bist. Es wäre herrlich, wenn wir diesen Sommer eine Zeitlang hier beysammen sein könnten. 

Tausend Grüße an alle 

               D. 

S.


1) Preußischer Gesandter. ­
2) Der kurze Brief vom 15. März 93 ist noch vorhanden. ­
3) Vgl. Charlotte v. Schiller und ihre Freunde 3, 14. ­


Bemerkungen

1 Zu S. 303. Z. 12. Die politische Zeitung war wohl das Sammelwerk Friedens-Präliminarien, das in 10 Bänden von 1794-1796 in Berlin erschien. Vgl. auch Hubers Brief an Sch. vom 20. März 1793 (zu Nr. 648). 
2 Zu Z. 27. Über Hubers Verhandlungen mit seinen Vorgesetzten vgl. seine Biographie von Therese Huber im ersten Band von Hubers sämtlichen Werken seit dem Jahre 1802.
3 Zu S. 304. Z. 27. Vgl. zu Nr. 516. u. Doras Brief an Charlotte v. Sch. v. 18. März 1793. Urlichs, Charl. v. Sch. III. S. 13. Doras, Körners, Schillers harte Urteile über Huber und seine spätere Frau aus dieser Zeit sind ja begreiflich und auch gerechtfertigt; denn sein Verhalten namentlich Dora gegenüber ist unverantwortlich. Sein späteres Leben mit seiner Frau ist aber vorwurfsfrei. Untersuchungen darüber, wie weit das Verhältnis mit seiner Frau vor der Hochzeit etwa unmoralisch gewesen, haben für mich nichts Verlockendes. Dora Stock blieb bekanntlich unvermählt. Zu Z. 32. Die Fortsetzung des Aufsatzes über das Schöne der Kunst und des „ästhetischen Briefwechsels“ mit Körner überhaupt unterblieb.