Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, 26. November [Montag] 1792.

Miller1 von Mainz ist auf einer Reise nach Wien, die ihn vermuthlich über Dresden führen wird, hier durchgekommen. Ich sprach ihn aber nicht, ob er mir gleich einen Besuch zugedacht hatte, weil er in den Clubb gerieth, den ich nicht mehr besuche, und dort nicht los kam. Vor Tag reiste er wieder ab. Dieser sagte von Mainz nicht viel Tröstliches. Er war noch einmal dahin gereist, um seine Papiere zu flüchten, die er auch glücklich rettete. Custine setzte ihm sehr zu, wie er sagt, in französischen Dienst zu treten; Miller entschuldigte sich mit seinen persönlichen Verbindlichkeiten gegen den Churfürsten. Da man zudringlicher wurde, so ging er schnell und ohne Abschied fort. Er hält es nicht für unmöglich, daß die rheinischen Staaten für Deutschland verloren gehen; wenigstens dürfte der Churfürst von Mainz mit allen seinen Nachfolgern viele Einschränkungen erfahren. Der Krieg gegen Frankreich ist auf das nächste Jahr festgesetzt. Man wird also auf deutschem Boden cantoniren, und wer weiß, ob es nicht auch die Franzosen dahin bringen. Seitdem ich den Moniteur lese, habe ich mehr Erwartungen von diesen. Wenn Du diese Zeitung nicht liest, so will ich sie Dir sehr empfohlen haben. Man hat darin alle Verhandlungen in der Nationalconvention in Detail vor sich, und lernt die Franzosen in ihrer Stärke und Schwäche kennen. 

In Deutschland fängt man große Anstalten an, und es geht wie immer über die Freiheit der Particuliers her. In Göttingen werden alle Briefe und Packete, worin man etwas zu finden glaubt, erbrochen, worüber viel Klagen geführt werden. Bei uns ist es noch auf dem alten Fuße, und Brutalitäten haben wir von unserer Regierung nicht zu erwarten.

Die mainzischen Aspecten werden sehr zweifelhaft für mich; aber in Gottes Namen. Wenn die Franzosen mich um meine Hoffnungen bringen, so kann es mir einfallen, mir bei den Franzosen selbst bessere zu schaffen. 

Göschens Idee mißfällt mir gar nicht, und was ich thun kann, thue ich gewiß. Auf Deine Arbeiten freue ich mich. Herzliche Grüße von uns beiden an Euch alle. 

               Dein 

S.


1 Johannes v. Müller.


Bemerkungen

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1 Zu S. 230. Z. 30. Gemeint ist Johannes Müller.
2 Zu S. 231. Z. 28. Schiller dachte daran, in einem Memoire für die Sache des Königs Ludwig XVI. einzutreten. Die baldige Hinrichtung des Königs überholte die Ausführung seines Planes, von dem auch in den Nr. 635 und 636 gehandelt wird. 
3 Zu Z. 30. Göschen hatte vorgeschlagen, daß mehrere Verfasser kleine Artikel über das 18. Jahrhundert für den Historischen Kalender auf 1794 schreiben sollten, und hoffte, wie auch Körner, daß Schiller eine allgemeine Einleitung dazu liefern würde.