Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena, 15. März [Donnerstag] 1792.

Ich warte mit Ungeduld nur auf den Eintritt der milderen Jahreszeit, um Dir etwas Bestimmtes von unserer Ankunft zu schreiben. Die enorme Kälte, welche seit etlichen Tagen einriß, beschwert mich sehr und weckte die Krämpfe im Unterleib wieder auf. Meine Motionscur habe ich deswegen auch noch nicht anfangen können, ob ich gleich seit acht Tagen ein eigenes Pferd habe. Ich werde es mitbringen, um meine tägliche Bewegung auch in Dresden fortzusetzen; und ich wünschte, daß Du Dich auch entschließen könntest, diese Spazierritte mitzumachen. So würden wir machen Stunde fürs Gespräch gewinnen, und Deine Gesundheit würde sich wohl dabei befinden. Auch der dreißigjährige Krieg wird mich zu Dir begleiten; denn, wenn ich zu rechter Zeit fertig werden soll, so darf ich jetzt keinen Tag daran verlieren. Doch hoffe ich, dieser Arbeit nicht über fünf Stunden des Tages widmen zu dürfen. Ganz besitzt sie mich nicht, und meine besten Stunden werden auf etwas gescheidteres verwendet, was Du mündlich erfahren sollst. 

Ich bringe wahrscheinlich einen jungen Dänen1 mit, der sich ein Jahr lang in Jena aufgehalten, um mit der Kantschen Philosophie aufs Reine zu kommen. Diesen Sommer reist er nach Kopenhagen zurück, um dort als Professor angestellt zu werden und das neue Evangelium zu predigen. Du wirst einen sehr denkenden Kopf und einen gründlichen Kantianer in ihm finden. Halte also immer Deine Philosophie parat. Er bleibt vielleicht acht Tage in Dresden, wo er die Merkwürdigkeiten gern in unserer Gesellschaft sehen möchte, und ich bin gewiß, daß Du ihm gern einige Stunden gönnen wirst. 

Mit dem Haaseschen Produkte2 weiß ich in der That nichts anzufangen. Als Poesie ist es mittelmäßig, und der Werth, den es etwa für den Musiker haben kann, giebt ihm in der Thalia kein Verdienst. Wem soll ich zumuthen, es zu lesen? Sieh also zu, wie Du es mir wieder vom Halse schaffen kannst. 

Das Ungewitter, das sich in Berlin gegen die allgemeine Literaturzeitung zusammenzog, hat sich noch glücklich zerstreut, und hoffentlich werdet ihr in Dresden ein Beispiel daran nehmen. Der Churfürst wird doch seiner Stadt Leipzig nicht so feind seyn, um einen Schritt gegen die Bücherfreiheit zu thun, der dem leipziger Buchhandel so gewiß schaden würde, als es gewiß ist, daß er seinen Zweck verfehlt. Jetzt wird der Tod des Kaisers3 große Bewegungen bei Euch machen; und in der That ist es für unser deutsches Reich keine unwichtige, sowie für uns Schriftsteller und alle Freunde der Denkfreiheit eine sehr ersprießliche Begebenheit. 

Lebe wohl. Meine Lotte grüßt Euch alle aufs freundlichste. 

               Dein 

S.


1) Hornemann.
2) Vgl. II, 292.
3) Kaiser Leopold II. war am 1. März 1792 gestorben.


Bemerkungen

1 Zu S. 198. Z. 20. Der junge Däne hieß Christian Hornemann. Es war ein Freund Baggesens. Reinhold schrieb an diesen am 28. März: „Künftige Woche wird uns Hornemann verlassen. Er geht mit Schillers bis Dresden. Er nimmt meine unbeschränkte Hochachtung und herzliche Liebe mit sich. … Ich kenne wenige Menschen, die ihm an Geist gleichkommen, keinen, der ihm an Adel des Herzens überlegen wäre.“ Hornemann kehrte nach Dänemark zurück und starb dort nach kurzer Ehe bereits im Herbst des Jahres 1793. Vgl. Baggesen an Reinhold Oktober 1793.
Das Haasesche Produkt war ein „Oberon“, das der Geheimsekretär Friedr. Traugott Hase, ein Universitätsfreund Körners, der 1776-1778 den Leipziger Musenalmanach herausgegeben hatte, Körner übergeben hatte, um ihn an Schiller für die Thalia zu schicken. „Abschlagen konnte ich’s ihm nicht,“ schrieb Körner am 7. Febr., „aber mache damit was Du willst, wie mit der Arbeit eines Fremden. Ich weiß recht gut, wie viel daran ist.“