Friedrich SchillerFriedrich Schiller

riedrich Schiller an den Herzog Friedrich Christian von Augustenburg und den Grafen Ernst von Schimmelmann

Jena 19. Dec. [Montag] 91. 

Erlauben Sie, Verehrungswürdigste, daß ich zwey edle Nahmen in Einen, und zwar in Denjenigen zusammenfasse, unter welchem Sie Sich selbst in Rücksicht meiner vereinigt haben. Der Anlaß bey welchem ich mir diese Freiheit nehme, ist an sich selbst schon eine so überraschende Ausnahme von allem Gewöhnlichen, daß ich das reine idealische Verhältniß, worein Sie zu mir getreten sind, durch jede Rücksicht auf zufällige Unterschiede herabzuwürdigen fürchten müßte. 

Zu einer Zeit, wo die Ueberreste einer angreifenden Krankheit meine Seele umwölkten und mich mit einer finstern traurigen Zukunft schreckten, reichen Sie mir, wie zwey schützende Genien, die Hand aus den Wolken. Das großmüthige Anerbieten, das Sie mir thun, erfüllt ja übertrifft meine kühnsten Wünsche. Die Art mit der Sie es thun, befreyt mich von der Furcht, mich Ihrer Güte unwerth zu zeigen, indem ich diesen Beweis davon annehme. Erröthen müßte ich, wenn ich bei einem solchen Anerbieten an etwas anders denken könnte, als an die schöne Humanität, aus der es entspringt, und an die moralische Absicht, zu der es dienen soll. Rein und edel, wie Sie geben, glaube ich, empfangen zu können. Ihr Zweck dabey ist, das Gute zu befördern; könnte ich über etwas Beschämung fühlen, so wäre es darüber, daß Sie Sich in dem Werkzeug dazu geirrt hätten. Aber der Beweggrund, aus dem ich mir erlaube es anzunehmen, rechtfertigt mich vor mir selbst und läßt mich, selbst in den Fesseln der höchsten Verpflichtung mit völliger Freiheit des Gefühls vor Ihnen erscheinen. Nicht an Sie, sondern an die Menschheit habe ich meine Schuld abzutragen. Diese ist der gemeinschaftliche Altar, wo Sie Ihr Geschenk und ich meinen Dank niederlege. Ich weiß, meine Verehrtesten, daß nur die Ueberzeugung, von mir verstanden zu seyn, Ihre Zufriedenheit vollendet; darum und darum allein erlaubte ich mir, dieß zu sagen. 

Aber der nahe Antheil, den ein allzupartheyisches Wohlwollen für mich an Ihrer großmüthigen Entschließung hat, der Vorzug, den Sie vor so vielen andern mir ertheilen, mich als das Werkzeug Ihrer schönen Absicht zu denken, die Güte, mit der Sie zu den kleinen Bedürfnissen eines Ihnen so fremden Weltbürgers herabstiegen legen mir gegen Sie die persönlichsten Pflichten auf und mischen in meine Ehrfurcht und Bewunderung die Gefühle der innigsten Liebe. Wie stolz machen Sie mich, daß Sie meiner in einem Bunde gedenken, den der edelste aller Zwecke heiligt, den der Enthusiasm fürs Gute, fürs Große und Schöne geknüpft hat. Aber wie weit ist die Begeisterung, welche in Thaten sich äußert, über diejenige erhaben, die sich darauf einschränken muß, zu Thaten geweckt zu haben. Wahrheit und Tugend mit der siegenden Kraft auszurüsten, wodurch sie Herzen sich unterwürfig machen, ist alles was der Philosoph und der darstellende Künstler vermögen – wieviel anders ists, die Ideale von beiden in einem schönen Leben zu realisieren. Ich muß Ihnen hier mit den Worten des Fiesko antworten, womit er den Stolz eines Künstlers abfertigt: „Sie haben gethan, was ich nur mahlen konnte!“ – 

Aber, wenn ich es auch vergessen könnte, daß ich selbst der Gegenstand Ihrer Güte bin, daß ich Ihnen die schöne Aussicht zur Vollendung meiner Entwürfe verdanke, so würde dennoch in mir eine Verbindlichkeit von sehr hoher Art gegen Sie übrig bleiben. Eine Erscheinung, wie Sie mir waren, richtet den glauben an reine und edle Menschheit wieder auf, den so zahlreiche Beispiele vom Gegentheil in der wirklichen Welt niederschlagen. Unaussprechliche Wollust ist es für den Mahler der Menschheit, im wirklichen Leben auf Züge desjenigen Bildes zu treffen, das sich in seinem innern verklären und seinen Schilderungen zu Grunde liegen muß. Aber ich fühle, wieviel ich durch Uebernehmung der großen Verbindlichkeit verliere, die Sie mir auferlegen. Ich verliere durch sie die süße Freiheit, meiner Bewunderung Sprache zu geben, und eine so uneigennützig schöne Handlungsart mit gleich uneigennützigem Gefühl zu verherrlichen. 

Die Möglichkeit, Ihnen denjenigen in Person darzustellen, den Sie Sich so tief verpflichtet haben, wird das Werk Ihrer großmüthigen Unterstützung seyn. Durch diese werde ich mich in den Stand gesetzt sehen, meine Gesundheit allmählig wieder zu gewinnen, und die Beschwerden einer Reise, den Wechsel der Lebensart und des Climas zu ertragen. Gegenwärtig bin ich noch immer den Rückfällen in eine Krankheit ausgesetzt, die mir den Genuß der reinsten Lebensfreuden schmälert, und nur sehr langsam, wie sie kam, wird zu heben seyn. Unter den vielen Entbehrungen, wozu Sie mich verurtheilt, ist diese keine der geringsten, daß sie die glückliche Zeit verzögert, wo mich der lebendige Anblick und Umgang mit tausend unzerreißbaren Banden an zwey Herzen fesseln wird, die mich jetzt noch aus unsichtbarer Ferne, wie die Gottheit, beglücken, und, wie diese, meinem Dank unerreichbar sind. In dieser schönen Zukunft zu leben und mit seinen Wünschen und Träumen diesem Zeitpunkt voran zu eilen, wird bis dahin die liebste Beschäftigung seyn 

                           Ihres tief verpflichteten und 
                                                      ewig dankbaren 
                                                                                 Fridr. Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 183. Z. 28. vgl. die schöne Votivtafel Gödeke S. S. XI. 167 Nr. 4.:

Zweyerley Wirkungsarten.

Wirke Gutes, du nährst der Menschheit göttliche Pflanze,
Bilde Schönes, du streust Keime der göttlichen aus.