Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Georg Göschen. 

Jena den 28. Nov. [Montag] 91. 

Mir däucht, liebster Freund, daß wir aus den ersten Zeilen des 30jährigen Krieges noch 5 oder 6 Situationen für Kupferstiche nachhohlen können, da eine noch so reiche Nachlese übrig geblieben ist. Manßfeld gibt noch Stoff zu einem hübschen Stück, so auch Christian von Braunschweig. Jener in der action bei Fleurus gegen die Spanier oder an der ungarischen Grenze, wo er s. Truppen entläßt. Siehe Calender 242. Christian wie er bei Höchst den Mayn passirt Siehe 217. Wallensteins Verschwörung verdient noch ein Kupfer, besonders da ich sie erst noch bei der dritten Lieferung zu schildern habe. Der Künstler soll den Moment wählen, wo die Offiziere aufgefodert werden, das rebellische Papier zu unterschreiben. Wallensteins Ermordung, wenn sie edel vorgestellt wird, und einen Moment vorher, eh man ihm wirklich die Hellebarde in den Leib rennt verdient ein eigenes Kupfer. In der Kupfererklärung bezieht man sich dann auf das Surporte Stück in Eger, das wir gesehen haben. 

Bethlen Gabor aus Siebenbürgen sollte billig auch sein Kupfer haben. Die Sachsen vor Prag geben gleichfalls ein hübsches Blatt. Ein vortrefliches Blatt gibt Ferdinand II. noch als Erzherzog wie er in Wien belagert wird, wie die Kugeln in s. Zimmer fliegen und ihn ein Rebell beim Wams faßt „wirst Du unterschreiben?“ pag. 152. Gustavs Uebergang über den Lech, den ich mit Interesse beschreiben werde, muß auch ein Kupfer haben. Sein Auffenthalt in München gäbe gleichfalls eine gute Situation. Vorzüglich aber empfehle ich ihnen diejenige Situation wo Ferdinand II. in der Egerschen gehend im Lager von zwey Schwedischen Reutern beinahe gefangen wird. Diese 2 Reuter drangen in aller Frühe biss an sein Zelt, stiegen ab, tödeten den Leibtrabanten und wollten eben jetzt in des Kaisers Schlafgemach dringen. Er war noch im Schlafrock und kaum aufgestanden. In dem entscheidenden Augenblicke aber wird einer von den Schweden erstochen, der andre gefangen. 

Dann denke ich sollten wir auch einmal den VersammlungsSaal der Gesandten zu Münster oder Ossnabrügg vorstellen und zwar in einem interessanten Moment etwa bei Abschließung des Friedens und nähmen es dann zum letzten Blatt. Zu Portraits will ich nächstens noch einige ausfindig machen, auch eine Idee zum Titelkupfer ausdenken. 

Seyen Sie ganz unbesorgt lieber Freund. Mit Anfang des Jenners nehme ich den 30jährigen Krieg vor und trenne mich nicht mehr davon, biß er fertig ist. Unterdessen habe ich für die Thalia vorausgearbeitet, und schon gegen sieben Bogen an neuen Aufsätzen liegen. Mit Ende Mays bin ich wenn meine Gesundheit nur so erträglich bleibt, wie jetzt, gewiß mit dem Calender fertig, und dann ists ja noch eben recht, um sich über die Reformation zu entscheiden. 

Von der neuen Thalia habe ich noch keinen Probebogen erblickt und warte begierig darauf. Ein wahrer Trost ist mirs, daß ich sie von der Censur frey weiß, und die Correctur zu Gesicht bekomme. Daß sie sich dazu verstehen wollen Niethammer die 8 Louisdors halbjährig zu geben, dafür danke ich Ihnen sehr. Sie werden den Nutzen gewiß finden, wenn ein Mann von Ordnung und Fleiß sich der Thalia annimmt. 

Für den Karlos wüßte ich kein beßer Kupfer, als entweder die Verhaftnehmung des Karlos durch d. Marquis, oder die ganze Gruppe des Königs, der Granden und des Prinzen am Leichnam des Marquis.

Vom Geisterseher hat der Erbprinz von Schwarzburg neuerdings ein großes Blatt gezeichnet, welches nach allgemeinem Urtheil verdient, gestochen zu werden. Er erlaubt es und wenn Sie es wollen, so schicke ichs Ihnen zu. Es erspart Ihnen eine Zeichnung. 

Meine Frau bittet Sie den Einschluß an Mariannen zu besorgen. Die Sacontala wird uns eine sehr angenehme Lecture seyn, wenn Sie sie schicken wollen. Dann bitte ich Sie mir mit ehester Gelegenheit den Idris von Wieland, Homes Critik von Schatz neu übersetzt und Kants praktische Vernunft zu übersenden. 

Nun adieu lieber Freund. Laßen Sie mich bald einen Calender sehen. ewig der Ihrige 

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 171. Z. 20. ff. Einige der Vorschläge Schillers für die Kupferstiche sind ausgeführt worden. Die Vorschläge beziehen sich auf den Kalender für 1793.
2 Zu S. 172. Z. 25. Das Titelkupfer stellte dar: Friedliche Tauben, in einem Helme nistend, werden von Amor gefüttert, dem Ceres die Ähren reicht. Gezeichnet von H. Meyer, gestochen von Lips.
3 Zu S. 173. Z. 9. Dieses zweite hier vorgeschlagene Bild wurde dem ersten Teil der Ausgabe von 1801 vorangestellt, gestochen von Bolt nach einer Zeichnung von Catel. 1792 erschien vermutlich nur ein Abdruck der Ausgabe von 1787 ohne Änderung sogar der Jahreszahl. 
4 Zu Z. 13. Die Ausgabe des Geistersehers von 1792 hat ein Bild, darstellend die Scene, wo die Griechin, in der Kirche betend, vom Prinzen erblickt wird, gez. und gest. von J. Pentzel. 
5 Zu Z. 18. Boxberger dachte nach einer Randbemerkung bei Marianne an Anna Maria Körner geb. Stock. Das scheint mir verfehlt. Ich weiß den Namen nicht zu deuten. Vielleicht war es die Marianne aus Göschens Bekanntenkreise, die in Gödeke, Geschäftsbrfe. S. 272 erwähnt wird.