Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Johann Kaspar und Elisabeth Schiller. 

Jena den 13. May [Donnerstag] 1790.

Die Besserung meiner liebsten Mutter war mir eine unaussprechlich freudige Nachricht, und um so mehr, da ich sie kaum mehr hoffte. Auch meine liebe Lotte theilt mit mir aufs innigste diese Freude, und wir beyde hoffen nun mehr als je, daß unser herzlicher Wunsch in Erfüllung gehen und daß wir unsre liebsten Eltern beide gesund und glücklich von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Im nächsten Jahre hoffe ich es gewiß, und nichts soll uns davon abhalten. 

In der That ist uns die Gesundheit der liebsten Mama ein wahres u. ein ganz unverhofftes Geschenk des Himmels, für das wir ihm nie nie genug danken können. Ich hoffe nun auch sehr viel Gutes für den Bestand; da sie sich aus einer so schlimmen Crise herausgerungen hat und ihre Kräfte nicht unterlagen, so wird sie das übrige leichter überstehen. Es würde jetzt gut seyn glaube ich, ihre erschöpften Kräfte durch eine sorgfältige gute Diät zu ersetzen, und dabey immer ein Infusum von China mit Wein zu gebrauchen. Vielleicht wirkt auch eine stärkende Kräuterkur, wenn sie im Stande ist, sie zu ertragen. 

Wie gerne liebste theuerste Eltern, folgte ich diesem Briefe, Sie jetzt mit kindlicher Freude und Liebe zu umarmen. Daß ich es nicht kann, fällt mir heute um so schmerzlicher auf, da mein Freund, der Professor Paulus diesen Nachmittag nach s. Geburtsort abgereist ist. Sein Vater liegt ohne Hofnung darnieder und will seine Sohn noch einmal sehen. Heute erhielt er den Brief und reiste auch sogleich ab. Wenn es ihm irgend nur möglich ist, so wird er Sie auf der Solitude besuchen und Ihnen Nachrichten von mir bringen, vorzüglich aber von den Gesundheits-Umständen meiner liebsten Mutter ein Augenzeuge seyn. 

Ist es ihm, der kurzen Zeit wegen nicht möglich, Sie auf der Solitude zu besuchen, so kommt wenigstens seine Frau nach Stuttgardt und dort können Sie oder doch eine meiner Schwestern mit ihnen zusammenkommen. Er wird Ihnen bald nach seiner Ankunft im Württembergischen nähere Nachrichten schreiben. Paulus ist unter den hiesigen Professoren mein vertrautester u. bester Freund, u. so bin ich auch der seinige. So haben wir auch bisher fast ganz abgesondert von den Meisten übrigen, zusammen gelebt. Sie werden also von ihm sehr viel erfahren, und ihn als den Freund Ihres Sohnes lieben. 

Wir beyde, meine Frau u. ich, befinden uns sehr wohl u. leben das glücklichste Leben. Ich habe zwar viel Arbeit, aber sie wird sehr versüßt durch ein schönes und ruhiges häusliches Leben. Meinen Brief, der von Rudolstadt geschrieben ist, haben Sie hoffentlich erhalten. 

Meine Disputation nebst dem übrigen habe ich richtig empfangen u. danke Ihnen sehr für die Besorgung. Meine Rede, wovon Sie schreiben, würde mir auch gar lieb seyn, wenn Sie sie durch Paulus mir schicken wollen. 

Ich umarme Sie mit herzlicher kindlicher Liebe. Tausend Segenswünsche für Ihre Gesundheit, tausend Grüße meinen lieben Schwestern. 

                                                                                   Ihr 
                                                                   gehorsamster Sohn 
                                                                                 Fritz.


Bemerkungen

1 Zu S. 75. Z. 12. Ein Brief Schillers an den Vater aus Rudolstadt d. h. aus dem April ist nicht bekannt. 
2 Zu Z. 14. ff. Der Vater hatte ihm auf seine Bitte seine Abhandlung über den Zusammenhang der thierischen und menschlichen Natur und seine Rede „Die Tugend in ihren Folgen betrachtet“ übersandt. Vergl. zu Nr. 499.